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connection Tantra erscheint zwei Mal im Jahr mit jeweils einem Schwerpunktthema. Sexualität wird im Tantra als etwas Heiliges betrachtet, das respektiert und verehrt zu werden verdient. Durch einen ethisch bewussten, liebevollen und achtsamen Umgang damit kann sich unsere Sexualität entwickeln und uns zur höchsten Blüte unseres Menschseins führen. Tantra hat uralte, vorpatriarchale Wurzeln, bezieht in seinen heutigen Formen jedoch die Erkenntnisse der modernen Psychologien und Therapien mit ein sowie die ethischen Prinzipien eines gesunden, natürlichen und umweltbewussten Lebens.

Editorial connection special 83

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Wolf Schneider

Schönheit erkennen
als spiritueller Weg

Haben wir uns damit nicht mal wieder ganz schön aus der Affäre gezogen? So oft wird das Wort schön nur floskelhaft verwendet, zum Beispiel, wenn man damit etwas als irgendwie gut bezeichnen will. Das ist dann ganz gut gemeint, aber nicht wirklich gut und auch nicht wirklich schön. Gut und schön sind Worte, die schnell dahin gesagt und oft auch austauschbar sind. Über solche Oberflächlichkeit kann man die Nase rümpfen, aber dieser Sprachgebrauch zeigt auch etwas: dass wir nämlich das Gute und das Schöne als einander ähnlich wahrnehmen.

Dieses Tantra-Special über Schönheit will jedoch tiefer gehen. Es widmet sich dem, was uns an einem anderen Menschen fasziniert, was wir an ihm schön finden, und der Frage, wie das zustande kommt: Warum finden wir den einen Menschen schön, den anderen nicht? Was überhaupt empfinden wir Menschen generell als schön? Und wann finden wir uns selbst schön?

Bin ich schön?

Unser Schönheitsempfinden rührt an die Grundfesten unseres Selbstverständnisses und unseres Weltbildes. Sowohl in der Eigenwahrnehmung (Bin ich schön?) wie auch in der Fremdwahrnehmung (Bist du schön?) sind wir beeinflussbar durch Suggestion und Autosuggestion, aber unser Empfinden hat auch biologische Grundlagen und darüber gelagert vor allem soziale: Wir wollen schön gefunden, begehrt, beachtet, anerkannt und geliebt werden, und alles das hängt miteinander zusammen.

Auf einer tieferen Ebene ist die Suche nach Schönheit die nach Liebe: Wir wollen lieben und geliebt werden. Noch tiefer in dieser Suche verborgen ist die nach mystischer Verschmelzung: Im Schönen begegnet uns ein Schimmer der Harmonie und Perfektion des Ganzen, der Natur, des Universums – einige würden sagen des Göttlichen – und im Erkennen identifizieren wir uns damit. In Goethes Worten klingt das so:

Wär nicht das Auge sonnenhaft,
die Sonne könnt es nie erblicken;
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
wie könnt uns Göttliches entzücken?

Schönheit erschaffen, Schönheit empfinden

So ist die Suche nach Schönheit nicht nur die von Ästheten, Perfektionisten oder nach Anerkennung Dürstenden, sondern auch ein Aspekt der spirituellen Suche. Sie kann sogar ein spiritueller Weg sein. Auf diesem erschaffen wir – als Künstler und Lebenskünstler – Schönheit, das ist die aktive Seite. Mehr noch zeigt sich das Spirituelle jedoch im Passiven, in unserer Empfänglichkeit: Wir entwickeln uns, indem wir unser Schönheitsempfinden erweitern und auch dort noch, wo Dissonanzen anklingen und Unvereinbares sich miteinander zu streiten scheint, eine verborgene Harmonie entdecken, ein größeres Ganzes, einen Sinn.

Ekstase

Schönheit kann in Ekstase versetzen: Wir können außer uns sein im Erkennen von Schönheit, außerhalb des Normalbewusstseins unseres beschränkten kleinen Egos und so noch mehr in uns, in einem tieferen, verbundeneren Selbst. Als Liebestrunkene, von der Schönheit des Geliebten Ergriffene sehen wir keinen Makel mehr am anderen und auch nicht mehr an uns selbst. Da sind wir eins mit dem anderen und dem Ganzen, in mystischer Verschmelzung.

Dort können wir aber nicht bleiben, wir müssen zurück in unsere begrenzte Identität, von der Verschmelzung mit den Du zurück ins Ich, um von dort aus den Alltag zu bewältigen. Aber die Erinnerung an die Ekstase bleibt und auch der Bezug zu dem anderen, Größeren, das uns da begegnet ist.

Der tantrische Weg

Tantra ist ein spiritueller Weg, der die mächtigen Energien von Sexualität und Liebe zur spirituellen Transformation nutzt. Insofern ist das Erkennen von Schönheit und das Streben danach für Tantriker sehr bedeutsam. Mit dem Streben nach Schönheit ist hier aber nicht der Friede-Freude-Eierkuchen-Ansatz der Pop-Esoterik gemeint (Ach, wie gut siehst du heute wieder aus!), sondern eine Haltung, die auch das Hässliche integriert, es als etwas ansieht, das seine Schönheit vielleicht noch nicht gleich offenbaren will.

Wir brauchen nichts zu verleugnen und vor keinem Widerstand in die Knie zu gehen. Alles ist erkennbar und kann eine Stufe sein auf dem Weg zur Integration, das Hässliche ebenso wie das Dumme, Abgründige oder vermeintlich Schlechte. Wer den Zusammenhang des Ganzen sehen kann, sieht die darin verborgene Harmonie und hat so vielleicht den Schimmer einer noch größeren Schönheit erhascht –und ist verzückt.

Wolf Schneider
Hrsg. der connection Tantra-Specials
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Blog: www.schreibkunst.com
Persönlicher Webauftritt (im Aufbau): wolf-schneider.info


Titelseite connection special 83

Aus dem Heft connection special Nr. 83

Bin ich sön?

Details

Kleines Mädchen vor dem Spiegel
»Du bist nicht dick, du bist pummelig«,
sagte meine Mutter

Wie ein Mädchen nach der Schönheit ihres Herzens suchte

Ihre Kindheit und Jugend waren von dem Wahn geprägt, schön sein zu müssen. Erst als Erwachsene, in der künstlerischen Arbeit als Fotografin, fand Anna Dea zu sich und hat sich nun auf Portraitfotografie spezialisiert – eine künstlerische und therapeutische Aufgabe

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Wie soll ich dieses Entzücken ertragen?

Details

Küssendes Paar

Er sieht sie, fühlt sie, riecht sie und ist entzückt. Da begegnet ihm das Wunder, das Göttliche Mysterium und entführt ihn, still und unausweichlich, ins Elysium. Franz Lang, der zusammen mit Pamela Behnke den Tantra-Newsletter von connection herausgibt, hat hier eine Hymne auf die Liebe, die Schönheit und das ineinander Aufgehen zweier Leiber und Seelen geschaffen, die man singen müsste – wenn Papier doch nur singen könnte!

Nach einer langen Arbeit im Zimmer, am Schreibtisch, hoch konzentriert und energetisch geladen, trete ich nach draußen. Der Wind umfängt mich, und mein erster Blick trifft auf die bunten Felder, die satten Wiesen, die feinen farbigen Abstufungen, die Schatten von Grün, von Gelb, von Braun und dann das weite, helle Himmelsblau mit weißen Federwolken darin schwebend. Leichtes, tiefes, gewichtiges Entzücken. Da fährt die ganze Wucht und Fülle der Farben in meinen Leib, der so lange nur der trockene Diener des Geistes war, und macht ihn stark, und lädt ihn auf mit Lebenskraft und gibt ihm Freude, Mut und tiefes Sattsein. Wenn ich nur ein Maler wäre! Ich würde es mit magischen Flächen auf die Leinwand bannen, und es wäre dennoch nicht genug. Aber geben möchte ich es. Zurück geben an Gott, woraus ich es empfangen habe, in meiner Liebe. Die Menschen, die es sehen, sind das Auge Gottes.

Jeder Schein ist das Antlitz Gottes. Alle Sinneswelt ist Schein, so auch das Schöne. Der Schein ist Maya, erste und größte Göttin aus der Gottheit. Wenn ich Schönes schaue, taste, fühle, schmecke und besonders rieche, dann bist du es, Maya, die mir den Blick zur Gottheit öffnet. Dich liebe ich über allem. In jeder Frau sehe ich dich, in jedem Blatt, in jeder Knospe und in der vollen Pracht der Blütenblätter. Und wenn ich trinke aus dem Schoß der Frau, dann trink ich deinen Nektar. Maya, Illusion, Trugbild, Schein, bist du, aber Teil der göttlichen Essenz. Gnade. Dein schöner Schein umhüllt mich, außen wie innen, und macht mir die Sinnesempfindungen zum Abbild göttlicher Glückseligkeit.

Ohne das Hässliche gibt es nichts Schönes. Jedes Schöne hat einen hässlichen Fleck, und immer auch birgt das Hässliche das Schöne in sich

Gnade

Zu schmerzhaft wäre das Bewusstsein der organisch-körperlichen Vorgänge für mich! Den Verdauungsvorgang beispielsweise vollkommen bewusst mitzuerleben, wäre nicht erträglich. Für mich und für jeden Menschen ist ein solcher organischer Vorgang nur gedämpft-träumerisch wahrnehmbar, andernfalls würde er mich töten. Aber ich bin geschützt. Eine Hülle umgibt mich, ein schützendes Bewusstsein. Es kommt von der Gnade.

Jedoch: Ohne das Hässliche gibt es nichts Schönes. Jedes Schöne hat einen hässlichen Fleck, und immer auch birgt das Hässliche das Schöne in sich. In jedem Schmutzfleck, in jedem Gestank, im Lärm und im Schmerz finde ich den Kern des Schönen. Ja, auch im Schmerz. Und auch der Tod hat Würde und Schönheit. Besonders der Tod.

Den Schatten, die Wunden, die Hässlichkeit in mir anderen nicht zu zeigen, gebieten Scham und Rücksichtnahme auf meine mitmenschliche Umwelt. Sie ständig zu verbergen wäre aber eine herkulische Aufgabe, erdrückend und schlicht unmöglich. Den Deckel draufhalten auf dem brodelnden Topf? Da würde ich verkrampfen und erstarren.

Leidenschaft

Große Leidenschaft will heraus. Sexuelle Kraft, Freude und Begehren. Alle Bedürftigkeit wird gesammelt, fokussiert. Jetzt ist es der starke Strahl, der mich selber reinigt, weil ich ihn in mir fasse. Entweder bleibt sie in mir, die Leidenschaft, dann konzentriert sie sich und sucht sich im Innenraum zu erweitern. Oder sie geht nach außen, dann ist sie Tatkraft, Veränderung und Sex.

Wo ist alles hin, das natürliche Lieben? Wie viele Mauern haben du und ich aufgerichtet zwischen uns! Wir kommen nicht zueinander. Da ist es wieder, wie so oft, das stumpfe Gefühl, das fahle, das hohle: Nichts zieht uns zueinander, wir sind uns so fremd.

Aber halt! Ist es nicht gerade das Gefühl der Fremdheit, das stumpfe Dösen, das uns eint, das wir gemeinsam haben? Nun könnten wir in aller Ruhe da hinein sinken. Es ist Gott in uns, untätig, jedoch in einer denkbar gelassenen Art, die hier sich selbst begegnet.

Kein Grund zur Panik. Die Liebe steigt dennoch immer höher, immer tiefer, fließt in die Breite. Lass sie zu, geliebtes Du, diese Wirksamkeit! Wir werden wieder wie die Kinder. Wir necken uns, wir spielen. Wir lachen und sprudeln, und scheinbar beleidigt ziehen wir uns dann zurück. Da kommst du an, guckst um die Ecke und schon springen wir wieder aufeinander zu.

Bald werden wir uns wieder verlieren. Ich werde rufen nach dir: Kommst du? Kommst du nicht?

Mysterium

»Wie wunderbar du bist!« – »Weil du mich so siehst!« Das ist das Mysterium. Ich habe es aus deinem Mund schon oft gehört. Das Lächeln der Frauen versetzt mich in einen anderen Zustand. Ich übergehe ihn nicht. Ich handle aus ihm.

Weisheit ohne Liebe kann so trocken sein, so fürchterlich öde. Auch wenn es nichts gegen sie einzuwenden gibt, bleibt doch ein vages Gefühl von Ungenügen. Da fehlt doch etwas! Vielleicht die Fülle, der Überfluss des Lebens? Vielleicht das wunderbare »einander Brauchen«, das die Weisheit schon verbannen wollte? Vielleicht die unendliche Triebfeder der Sehnsucht, die unser Leben fortwährend in Bewegung hält, es umwälzt, neu gestaltet? Vielleicht der Sex, der meine Existenz geschaffen hat?

Wenn die Weisheit sagt: »Es ist, wie es ist«, dann antwortet mein Gefühlsleben: »Ich will nicht, dass es so ist, wie es ist!« – »Sei still«, antwortet sanft die Weisheit. Doch immer wieder meldet sich die Sehnsucht zu Wort: »Ich will, dass es werde, wie ich will!«

Wenn Weisheit und Sehnsucht eine Weile gestritten haben (ein lange Weile?), dann einigen sie sich schließlich. »Wenn es etwas Schönes ist, das du willst, dann kann ich dir bestimmt nicht widerstehen«, spricht die Weisheit. Da nimmt die Sehnsucht die Weisheit bei der Hand und führt sie zum zärtlich vorbereiteten Lager. Dort legen sie sich hin und machen Liebe.

Paar in erotischer Pose

Sehnsucht

Sehnsucht ist stets auf Vollendung gerichtet. Mit nichts davor gibt sie sich zufrieden. Sie ist keine Projektion aus der Vergangenheit. Sie kommt aus der Zukunft auf mich zu, dort existiert das Ersehnte bereits.

Sehnsucht hat ihre Wurzeln jenseits von Gefühlen und konkreten Vorstellungen. Sie ist der Sammelpunkt aller Begierden, Wünsche, Hoffnungen, Planungen und Visionen. Sie ist das schwarze Auge, das mich aus der Zukunft anblickt. Schwarz, weil es sehen, aber nicht gesehen werden kann.

Sehnsucht ist auch die Herkunft der Vergangenheit und meine Entstehungsursache. Zurück verfolgt trifft sie mit der Zukunft in einen Punkt zusammen. So ist sie auch ewige Gegenwart.

Sehnsucht ist die gespannte Sehne des Bogens – bereit, den Pfeil abzuschießen.

Niemals darf ich meine Sehnsucht aufgeben, noch kann ich es. Aber wenn ich sie mit Gefühlen befrachte, droht sie zu ersticken oder tut endlos weh, und Melancholie versieht die lebendige Sehnsucht mit einem Trauerrand.

Sehnsucht, die ich von allen Objekten bereinige, ist auf das Unbekannte gerichtet. Sie hört auf zu leiden, zu schwächeln, zu trauern, zu gieren. Stattdessen entfaltet sie ihre Unendlichkeit: breit, tief, hoch und durchdringend. Dann bleibt sie stehen und bewegt sich gleichzeitig. Sie ist die Liebe, die niemals endet. Sie blickt mich jetzt mit großen, reinen, blauen Augen an. Und dahinter die trauergeränderten, melancholischen Augen, verblassend.

Weichheit

Ich habe die Weichheit entdeckt. Nicht die Seligkeit, auf Wolken zu schweben, in sanfte Kissen zu fallen. Nein nein, es ist nicht das. Dein gesamter Körper, meine Geliebte, mein eigener, mein leicht geschwelltes Glied, dein breites, sanftes Tal, in dem es steckt, das alles ist ein weiter Schoß, eine einzige weiche Welt. Sie ist ohne Anstoß, ohne Grenzen, warm und schwerelos uns schwemmend. In ihr möchte ich verweilen, bis irgend wann – unweigerlich – ein harter Ton uns dieser Seligkeit wieder entreißt.

Ich rieche dich gern. Mehr als das: Ich tauche ein in die Aura deiner Haut, deiner Haare, deiner Wässer. Es strömt, es dunstet, es hüllt mich ein. Eine zauberhafte Wolke zieht in mich ein: Dein unvergleichlicher Duft, unwiderstehlich. Er zieht mich tiefer, oder anders, hinein in dich als meine Augen, meine Ohren es jemals eröffnen könnten.

Der ständig variierende Ausdruck deiner Stimme, deine Becken- und Körperbewegungen, deine Mimik und die Grimassen, die sich ganz natürlich zeigen wollen beim Liebesspiel, sie sind es, die mich dir noch näher bringen.

Ich liebe nicht nur den lichtvollen Engel in dir, ich liebe auch das untergründige Tier

Das Tier

Du verbirgst nichts vor mir. Das ehrt mich und es würdigt mich, Zeuge des für gewöhnlich in deinem tiefen Inneren schlummernden Tieres zu werden. Ich liebe dein Tier. Es ist ganz einzigartig deines. Es hat vielleicht Ähnlichkeit mit einem Fuchs, einem Marder oder was sonst es sein mag, aber es ist unverwechselbar deines. Ich liebe nicht nur den lichtvollen Engel in dir, ich liebe auch das untergründige Tier.

Es geht bei uns recht oft auch ziemlich tierisch ab! Wir lieben die Wildheit, Lust und Geilheit, die wir hoch kommen lassen, weil wir nichts zurück halten wollen. Wir erleben den Frieden und das stille Glück, das sich danach oft einstellt. Dann liegen wir selig ineinander verschlungen, dankbar und mild strahlend. Eine unendliche Zärtlichkeit überkommt uns, und der Engel senkt sich herab und segnet uns.

Jetzt

Die Tiefe und Kostbarkeit des Augenblicks erleben, indem wir ihn jedes Mal wieder loslassen und nicht festhalten wollen für den nächsten Tag oder wünschen, dass er für immer bleiben sollte: Durch dieses Gehenlassen wird es möglich, den Moment in einer noch schöneren Tiefe und Intensität zu erleben. Durch das Festhalten-Wollen verhindern wir das ewig neue Erstehen des Wunders des Augenblicks. Wir Liebenden glauben an den Augenblick und geben uns die Chance, ihn in einer neuen Tiefe und Intensität immer wieder zu erfahren. Alles andere ist Vergangenheit. Wir glauben auch nicht an die Zukunft. Vielmehr ist eine glückliche Zukunft nur das Ergebnis gelebter Momente. Und diese ewige Gegenwart ist gleichermaßen ewige Sehnsucht. Das wissen wir, wenn wir lieben. Deshalb geben wir uns immer frei. Das ist unser Geheimnis. Nicht alle, die uns danach fragen, wollen das hören.

Wir sind glücklich, uns bloß zu sehen, beisammen zu liegen, gemeinsam Musik zu hören, uns zu halten, uns zärtlich zu berühren. Manchmal huscht ein Lächeln über unser Gesicht, lange schauen wir uns ruhig in die Augen, ohne etwas tun oder reden zu müssen, dann gleitet eine Hand unendlich sanft über den Po, über den Rücken, über den Nacken, durch die Haare, über die Brüste, und wo sie verweilt, dort breitet sich ein strahlendes Liebesfeld aus, das alles, was sich in trüben Momenten gesammelt hat, in Stunden und Tagen, auflöst und heilt.

Stille Intensität

Wie meine Hand über deine unendlich zarte Haut streift, wie die hoch empfindsamen Handinnenflächen über die fest aufgerichteten Brustknospen streichen und dein bloßer warmer Leib, hingebungsvoll und ruhig daliegend, mir so innig, sanft entgegenstrahlt, da halte ich es schier nicht aus. Dein Aufatmen, dein Stöhnen, dein Loslassen und dich Ergeben, wie es mich ansteckt! Wohin mit dieser stillen Intensität? Wie soll ich dieses Wunder fassen, was soll ich tun? Mein unerträgliches Entzücken macht, dass ich still und stiller werde und es in mir halte, dass ich mein fassungsloses Staunen nicht nach außen tragen kann. So füllt es mich an und macht mich reich. Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll: unendliche Süße? Sanfte Tiefe, Breite, Weite? Zartheit zum Bersten? Maßlose Weichheit? Blumenduft?

Es gibt Worte, die diese Erfahrung umschreiben. Könnte ich doch ein Wort finden, das diese Erfahrung ist! Bin ich doch auch als Dichter Liebender. Doch wenn selbst mein Körper sich nicht mehr regen kann, wie könnte ich dann besser sprechen?

Wie soll ich all das ertragen? Die unerträgliche Schönheit schmilzt mich hinweg

Liebesmacht

Fassungslos stehe ich da. Dein Glanz, dein sanftes Glühen haben mir alles weggeschmolzen. Mein stolzer Schild, mein edles Pferd, meine Lanze: Alles legt sich hin vor dir. Ich knie da, weiß nicht, darf ich meine Augen heben, soll ich sie senken. Wie soll ich all das ertragen? Die unerträgliche Schönheit schmilzt mich hinweg.

Im Orgasmus bist du gestorben schon manches Mal. Alle Grenzen haben sich aufgelöst. Du bist in die ewige Seligkeit eingetreten, eine Zeit lang. Nichts mehr ist da, nur noch Das.

Aus deinen Augen schaue ich mich selber an. Und: Ich sehe mich, wenn du mich anschaust. Schön bist du, wie du da liegst und schläfst! Ein Zauber umgibt dein Gesicht, ein seliges Lächeln! Dein zarter Mund, so schön geschwungen wie ein Herz, atmet sanft und unhörbar. Dein Haupt liegt hingebettet in den Kissen, und dein Haar bedeckt es wie Himmelsschmuck.

Wenn ich meine Liebesmacht ergreife, erfülle ich dich, meine Geliebte, damit. Eine natürliche Meisterschaft führt mich von innen, und ich weiß, was ich zu tun habe. Es erfreut dich, da ich ohne Zweifel bin. Den Meister lässt du frei walten. Seinen Taten ergibst du dich ganz. Der Meister in mir entwickelt sich mit meiner Liebe zu dir. Meine Liebe ist meine Verehrung deiner Schönheit. Mein Zartgefühl für deine Schönheit ist mein Entzücken, mein Entzücken wird meine Leidenschaft, meine Leidenschaft wird die Kraft, die du so liebst und der du dich so gerne hingibst. Was wir tun, ist unsere gemeinsame Freude. Wir sind zusammen und eins.

— Franz Lang

Photo Franz Lang

Franz Lang, geb. 1952, ist Erziehungs- und Paarberater und Spiele-Leiter. Seit Januar 2008 macht er zusammen mit Pamela Behnke die Redaktion des mtl. Tantra- Newsletters von connection. Er leitete tantrische Jahresgruppen und schreibt an Büchern.
www.spiel-freunde.de


Titelseite connection special 83

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Aus dem Heft connection special Nr. 83

Alter und Schönheit

Details

Advaita, mittleres Alter

Die Weisheit des Alters

Wer jung ist sorge beizeiten dafür, innere Werte zu entwickeln, rät die Tantralehrerin Advaita Maria Bach. Sie ist nun schon im Alter der nicht sehr populären indischen Göttin Dhumavati und gibt ihre Lebenserfahrung und Weisheit an Jüngere weiter. Das Alter raubt uns viele Illusionen, vor allem über Dauerhaftigkeit und Schönheit, aber in diesem Raub liegt auch ein Geschenk: Die Weisheit des Alters kann leuchten und so unsere innere Schönheit nach außen tragen

Kann das überhaupt zusammen passen? Diese zwei Worte als Paar beschreiben für unsere üblichen Assozationsketten und Neuronenbahnen im Gehirn ein Paradox. Natürlich haben wir alle abgespeichert, dass jung = schön und alt = hässlich. Selbst wenn jetzt bei einigen Lesern gedankliche Beschwichtigungsrituale gegenüber dieser Aussage in Kraft treten. Auch das kollektive Klima in unserer Gesellschaft ist nicht dazu angetan, Alter und Schönheit in Beziehung zu setzen – natürlich reden wir hier erst 'mal von äußerer Schönheit und dem biologischen Alter. Die Models werden immer jünger und dünner, die Kosmetikprodukte für die reife Frau heißen »Anti-Aging« – als wäre das Altern eine Krankheit, auf jeden Fall etwas, gegen das man etwas tun muss.

Schönheitschirurgen haben Hochkonjunktur, zunehmend auch für Männer. Und sogar die genitale Chirurgie ist im Vormarsch. Asymmetrische Schamlippen oder verschieden hoch hängende Hoden? Wird korrigiert. Natürlich am ehesten in Amerika. Alle älteren Hollywoodstars lassen sich den Hals korrigieren, und eine hämische Medienöffentlichkeit kommentiert, wenn ein Star dicker wird oder im Alltag auch mal aussieht wie »ein ganz normaler Mensch«. Schönheitskult und Jugendwahn bestimmen die Werte – obwohl es auch Gegenstimmen gibt, aber natürlich nur, weil man die Generation 50 plus als konsumstarke Gruppe entdeckt hat, für Prestigeobjekte und Kosmetika. Der Jahrmarkt der Eitelkeiten setzt viele Milliarden Dollars und Euros um, und kein Ende in Sicht.

Advaita, jung

Hässliche Männer sind okay

Von Frauen wird auch immer noch mehr als von Männern erwartet, dass sie schön sein müssen, um geachtet zu werden, zumindest, um begehrenswert zu sein. Als Jugendliche hatte ich immer Sophia Loren und Carlo Ponti vor Augen: Sie mit guter Figur und herrlichem Antlitz, er durfte dick und glatzköpfig sein. Als extremes Beispiel für diese Tatsache der unterschiedlichen Bewertung von Mann und Frau in Sachen Herzeigbarkeit empfand ich Marlon Brando in dem Film »Don Juan de Marco« aus dem Jahr 1994. Klar, er war immer noch ein guter Schauspieler – aber er war sehr dick geworden, um es mal taktvoll auszudrücken. Catherine Deneuve oder Liz Taylor hätten mit dieser Figur keine Hauptrolle mehr bekommen! Früh im Leben bemerkte ich, dass es für ein weibliches Wesen zu beachten ist: Wenn die Natur ihm Schönheit geschenkt hat, dann sorge es bei Zeiten dafür, dass es im Alter »innere Werte« kultiviert hat! Seien diese Werte intellektuell oder spirituell. Beides habe ich getan – aber der Singlemarkt heute spricht eine andere Sprache: Je gebildeter eine Frau ist, umso weniger hat sie Chancen auf einen Partner auf Augenhöhe, egal, wie attraktiv sie ist. Aber das ist ein anderes Thema.

Wenn in der Tagesschau das Endlosthema Rente angesprochen wird, werden immer drei Rentner auf einer Bank von hinten gezeigt, so als wäre ihr Anblick von vorne schwer zu ertragen Wenn es um Jugendliche oder Kinder geht, werden sie von vorne präsentiert. In unserer Gesellschaft entwickelt sich ein Widerspruch, mit dem wir alle leben müssen: Der sogenannte »demographische Wandel« bedeutet, dass es immer mehr Alte gibt und immer weniger Kinder. Die Alten werden nicht mehr für ihre Weisheit und ihre Lebenserfahrung geehrt – weil sie manchmal auch gar nicht weise sind, da brauche ich nur an meine eigenen Eltern zu denken – und weil ihre Lebenserfahrung tatsächlich in einer Welt des stetigen und immer schnelleren Wandels als Basis für die Jungen auch einen geringeren Wert hat als früher. Während dessen schwindet die Schönheit, ein wichtiger Bestandteil des Selbstwertgefühls, jeden Tag ein wenig mehr.

Advaita, mit zwei Kindern

So geht es allen

Irgendwo habe ich ein Mal die Worte aufgeschnappt: Die Zeit ist ein Raubtier auf leisen Pfoten. Der berühmte morgendliche Blick in den Spiegel hat mich gelehrt, dass das Altern in Schüben geschieht. Trotz guter Kosmetik, guter gesundheitlicher Versorgung und Yoga schrumpfe ich keineswegs nur im Gesicht, sondern auch in der Länge, ich mag das gar nicht nachmessen. Neulich sagte ein guter Freund zu mir – er ist mittlerweile über 60 – er sei schon vier Zentimeter kleiner. Und das war zu sehen! Da sind diese Denkerfalten auf der Stirn – die habe ich schon sehr lange – das kommt vom vielen Zweifeln und Reisen in sonnigen Ländern ohne die heute so übliche Sonnenbrille. Da sind die scharfen Falten um den Mund, die sind auch nicht neu, aber die kleinen senkrechten an der Oberlippe, die sind neu. Das ist das Alter. Ich weiß nicht mehr, wie lange es her ist, zwei oder drei Jahre oder mehr, da waren sie eines Morgens unleugbar da. Und der Hals! Und vor allem: Wenn die Oberarme so schlaff werden, dass sie hängen und am Rücken bei jeder Bewegung Falten auftauchen. Ich werde alt, ja: »Sie ist alt«. Und jeder überflüssige Schokoladenriegel bleibt für ewig auf den Hüften.

Die Zeit ist ein Raubtier auf leisen Pfoten

Der einzige Trost ist, dass es allen so geht. Meine Freunde und Freundinnen altern mit mir, die meisten sind schon über 60 – ein Datum, das ich erst nächstes Jahr erreiche. Meine Söhne spucken mir alle auf den Kopf, und Großmutter bin ich schon seit zwölf Jahren, bisher mit drei Enkeln gesegnet, der vierte ist auf dem Weg.

Einkehr

Also nehme ich morgens all die kleinen Auffüller mit Collagen für die Lippen, für die Augen und so weiter. Heute mehr als früher spielt sorgfältiges Styling dafür eine Rolle, wie sich gerade meine Stimmung gestaltet. Als junge Frau reichte ein Fetzen vom Billiganbieter für fünf DM – ich sah immer gut aus. Heute empfiehlt es sich, gute Schnitte zu tragen. Gott sei Dank haben die Haare die Wechseljahre überstanden ohne Ausdünnung, was nicht selbstverständlich ist. Aber seit ungefähr drei Jahren schaut sich niemand mehr nach mir um oder spricht mich an auf der Straße – auch Tantralehrer werden alt und verlieren ihre Ausstrahlung als Sexualobjekt. Aber das ist mir nicht so wichtig – ich hatte meinen Teil an männlicher Bewunderung für meine äußerliche Hülle. Anders als viele meiner Seminarteilnehmer, die ihre Schönheit mit der tantrischen Arbeit erst entdecken, hielt ich mich schon immer für attraktiv, und heute hilft mir das Tantra, mit fast 60 Jahren von den Äußerlichkeiten tendenziell immer weniger abhängig zu sein. Tatsächlich sind mir heute Meditation, eine ruhige geistige Verfassung und kreative Verwirklichung wichtiger als äußere Schönheit. Schon länger ist das so. Viel unangenehmer als das äußere Altern empfinde ich das allmähliche unvermeidliche Nachlassen der Energie. Die Weisheitslehren des Tantra unterstützen mich dabei, den Zyklus des Lebens anzuerkennen, und die Schönheit der Essenz, die Schönheit der Shakti blitzt noch immer aus den Augen, wenn das Bewusstsein dafür aktiviert ist.

Advaita, älter
Ein altes Gesicht, von Lachfältchen durchwoben,
kann um Lichtjahre schöner sein
als ein junges depressives

Schönheit im Alter

Ist es, was man spürt? Ist es, was andere sagen? Ist es, was andere wagen? Ist es, was uns verführt? Doch Schönheit ist ein Wort, sie variiert von Ort zu Ort. Mit dem Alter verblasst manches Gemüt, Während ein anderes wieder erblüht. Wenn ich spüre einer Frau inneres Glänzen, ihre Seele, bedeckt von bunten Kränzen, Will ich sie nehmen an der Hand, so zerbröckelt zwischen uns die Wand.

Dieses Gedicht habe ich aus dem Internet gefischt, es stand da ohne Autorenangabe, mit dem Titel »Schönheit«. Ein Gedicht, das die Schönheit im Alter hymnisch besingt, fand ich nicht.

Im Tantra wird Schönheit nicht nach einem Klischee definiert, sondern danach, wie weit die Seele, die in diesem Körper wohnt, entspannt ist. Alle entspannten Menschen sind schön! In der sexuellen Begegnung ist es leichter als früher möglich, sich länger aufzuhalten auf dem Plateau vor dem »Punkt ohne Umkehr« – es ist ein großer Vorteil, wenn »die Pferde« nicht mehr mit uns durchgehen. Da im Tantra alles sehr verlangsamt ist, um die Energie sehr bewusst und Schritt für Schritt aufzubauen, kommt diese Lebensphase der tantrischen Lebensart sehr entgegen. Allerdings spreche ich hier von Neo-Tantra, das Osho in die Welt gebracht hat, in der Kombination mit modernen Methoden und Ansichten. Im Grunde ist alles, was wir Seminaranbieter heute machen, von dieser modernen Variante des Tantra geprägt, auch bei Nicht-Sannyasins. Klassisch-tantrisch sind die Rituale, obwohl ich seit einigen Jahren auch neue Rituale erfinde, aber sie bleiben dennoch der traditionellen Symbolik und Form verbunden.

Wer arm ist, sieht früh alt aus

Dhumavati

Das klassische Tantra hat auch eine ältere Göttin, Dhumavati. Als »älter« wurde im alten Indien eine Frau ab 50 bezeichnet. Vor 5 000 Jahren war das sicherlich berechtigt. Damals erreichten ja viele Menschen gar kein höheres Alter, viele starben früher, nur wenige wurden richtig alt. In unserer modernen Industriegesellschaft hingegen wächst die Zahl der Hochbetagten, das heißt, der über Achtzigjährigen. Dhumavati gehört zu den zehn Mahavidyas, den zehn Grundaspekten der Shakti. Leider erfüllt sie alle alten Stereotypen von alt und hässlich: Sie hat hängende Brüste, ist ohne Partner, Witwe und wird ausdrücklich ohne »Sri« angesprochen, das heißt, man gesteht ihr keine Vitalität und positive Ausstrahlung zu. Außerdem hat sie große, hässliche Zähne. Einem Mythos nach hat sie sogar kannibalisch den Gott Shiva gefressen, und ihr Blick ist böse.

Dhumavatis Qualität ist durch und durch »Tamas«, das heisst dunkel. Statt eines Szepters trägt sie einen großen Staubkamm für Getreide in der Hand, und ihr Symboltier ist die Krähe. Klingt nicht gerade verlockend. Nur ein fortgeschrittener Sadhaka (Übender in einer spirituellen Disziplin) solle sich mit ihr vereinigen, heißt es, denn es bedeutet für ihn eine Überwindung der Dualität, wenn er auch in ihr noch die große Mutter sehen kann und trotz ihrer abstoßenden Erscheinung sein Lingam erhebt. Da finden wir keinen Trost, und als moderne Wellnesstantriker wenden wir uns ab von diesem Bild, ein wenig angeekelt. Wer aber Tantra wirklich als insgesamt nondual begreift, das heißt, wer alle Qualitäten verehrt, die es im Universum gibt, der begibt sich in diese Übung … zumindest mal theoretisch.

Heute noch – und auch schon vor zehn Jahren – hatte ich die Lacher auf meiner Seite, wenn ich vor einem Ritual meinem Partner sagte, dass er sicherlich erleuchtet würde nach der Vereinigung mit mir, dass er die Dualität überwinden würde, da ich ja schon Dhumavati sei. Dhumavati ist nicht gerade populär, die meisten haben noch nie von ihr gehört.

Natürlich spielen für die Erhaltung der äußeren Schönheit auch Gesundheit und Ernährung eine große Rolle. In Indien zum Beispiel, ebenso wie in anderen von krasser Armut gepeinigten Ländern, fehlen oft schon jungen Menschen die Vorderzähne, oder Jugendliche hinken den Rest ihres Lebens, weil kein Geld da war für medizinische Versorgung nach einem Beinbruch oder ähnlichen Unfällen, die hierzulande doch recht spurlos an einem Menschen vorübergehen. Wer arm ist, sieht früh alt aus.

Manche haben mit 50 Jahren das erste Mal einen Orgasmus

Sich als alterslos erfahren

Wenden wir uns der heilenden Kraft des spirituellen Tantra zu, dem Tantra mit uralter geistiger Botschaft, das aber auch die moderne Sexualtherapie mittransportiert. Viele Teilnehmer in meinem Seminaren, vor allem solche mit sexuellen Blockaden oder mit sehr religiös geprägter Kindheit, wagen es hier zum ersten Mal, sich als schön zu sehen, als Manifestation der weiblichen Urkraft, als Shakti. Manche werfen erst hier die Beschränkungen des Kleinbürgertums ab, energetisch und geistig, erleben sich zum ersten Mal als lustvoll und haben vielleicht mit fünfzig Jahren das erste Mal einen Orgasmus. Dabei werden sie tatsächlich innerlich und äußerlich schöner, erfahren sich eher als alterslos, als eine wie ich, der man schon immer Komplimente ins eitle Öhrchen geblasen hat. Da ich mich als junger Mensch nie habe einschränken lassen von elterlichen Verboten, habe ich auch nicht das Gefühl, das Leben beginne erst jetzt oder erst mit Tantra – Tantra habe ich mit 32 angefangen.

Von den drei haarfeinen Energiekanälen in der Wirbelsäule Ida, Pingala und Shushumna wird der erste als weiblich und mondgleich, der zweite als männlich und sonnengleich und der dritte als ausgleichend beschrieben. Kommt die Energie des Sadhakas (Schülers) in Shushumna an, dann erfährt er das Phänomen der Zeitlosigkeit, der inneren Wahrnehmung, des Stadiums jenseits der Zeit. Ja wirklich, wenn ich denn im Hier und Jetzt ankomme und schaue nicht in den Spiegel, dann singen die Vögel, der Glanz der Morgenröte verklärt den Himmel über dem noch unschuldigen Tag und meine Wahrnehmung des Jetzt ist so, wie sie immer war, und wenn ich die Augen schließe und die Ohren und gehe nach innen, dann finde ich da eine Stille, die schon immer da war und jenseits aller Zeit ist. Sie wahrzunehmen und in ihr zu sein, das fällt mir heute viel leichter als früher.

Für mich bedeutet Schönheit im Alter auch, dass der Mensch wirklich gereift ist, dann entwickelt diese Lebensphase eine besondere Schönheit. Die Tatsache, dass man sexuell weniger hormongepeitscht ist als in jungen Jahren bedeutet auch ein Stück Freiheit vom Getriebensein. Allerdings ist dafür auch wesentlich, ob man innerlich wirklich jung war, als man es äußerlich war. Nachholen lässt sich einiges, aber nicht alles. Wer sein Leben nicht seinen Phasen entsprechend lebt, der wird im Alter vielleicht auch deshalb hässlich und dünnlippig, weil ihm oder ihr das versäumte Leben zu schaffen macht und der Neid auf die Jungen die Psyche durchdringt, und der macht hässlich.

Alte und junge Schönheit

Die Fältchen und Falten offenbaren auch die verfestigten Gewohnheiten unserer Mimik. Lach- oder Sorgenfalten machen schon einen Unterschied. Ein altes Gesicht, von Lachfältchen durchwoben kann um Lichtjahre schöner sein als ein junges depressives. Und was meine geistige Verfassung betrifft, die Früchte meiner Lebenserfahrung und spirituellen Praxis, da wollte ich keinen Tag jünger sein. Eine Freundin von mir sagte mal: »Wenn man jung ist und schön, dann fehlt einem die Erfahrung. Wenn man älter ist und die Erfahrung hat, dann fehlt die Schönheit. Irgendwas fehlt immer.« Diese Äußerung war als Galgenhumor gemeint, und wir lachten dann. Mir fällt heute auf, dass, wenn man als jugendliche Schönheit schon die Erfahrung hätte – ja, dann würde man manche eben gar nicht machen und hätte sie dann eben im Alter auch nicht. Möge die innere Schönheit lange leuchten, die äußere lang erhalten, und selbst im Augenblick des Todes nicht verlöschen.

— Advaita Maria Bach

Advaita Maria Bach, Jg. 49, lernt Juli '82 in Oshos Kommune die Symbiose von Therapie, Meditation und Tantra kennen. Sie verließ die Kommune 1985, wurde selbstständig, veröffentlichte Artikel seit 1990, wurde durch die Medien bekannt und bildet seit 1998 Tantra-Lehrer aus (Advaita-Tantra-Schule). Sie hat einen eigenen, feurigen Arbeitsstil entwickelt mit vielen selbst kreierten Methoden.
www.advaita-tantra.de
 

Titelseite connection special 83

Aus dem Heft connection special Nr. 83

Editorial connection special 82

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Wolf: Kreativität ist geil. Im Kreativitäts-Rausch fühle ich mich immer auch erotisiert. Dann bin ich fasziniert – und fasziniere. Wie geht es dir damit?
Christine: Ich kann kreativ sein, zum Beispiel ein Bild malen, ohne dass ich das als erotischen Rausch empfinde. Andererseits gibt es für mich keine Erotik ohne Kreativität. Es ist vor allem die Verspieltheit, die so spontan und unerwartet ein Kribbeln im Bauch erzeugt: dieser besonders intensive Blick, der einiges verspricht, aber alles offen lässt, oder die beiläufige Berührung, die das Verlangen nach dem anderen schürt. Ich glaube, Erotik hat damit zu tun, im anderen Sehnsucht und Verlangen zu erzeugen.

Angst, Lust und Ekstase

Wolf: Es gibt Kreativität, Verspieltheit, Erotik auch ohne Rausch, das stimmt. Das ist mir aber manchmal noch zu musterhaft, zu eng. Manchmal will ich ganz ausbrechen, und dann reicht mir ein bisschen Verspieltheit nicht, und das Erzeugen von Sehnsucht und Verlangen. Dann will ich den großen Rausch, so wie man die große Liebe sucht. Und das Erstaunliche: Diese intensiven, rauschhaften Zustände der Verliebtheit und der Kreativität, die ähneln einander. Das ist ein Land, das mir ein bisschen Angst macht, aber auch große Lust, es zu erforschen.
Christine: Was du beschreibst, kenne ich sehr gut. Meiner Meinung nach ist es genau diese Verbindung aus Erotik und Kreativität, die zur Ekstase führt. Ich liebe es, wenn ich mich völlig hingeben kann an den Augenblick. Wenn ich mit meinem Geliebten verschmelze, ihm in die Augen sehe und ihn in mir fühle. Dann löse ich mich auf in ihm und er sich in mir. Damit überschreite ich eine Grenze des menschlichen Seins und erlebe mich in der kosmischen Einheit. Das ist dann Glückseligkeit!
Wolf: Nicht alle Tage sind ekstatisch. Aber vielleicht höre ich den kosmischen Jubel auch oft bloß nicht unter dem alltäglichen Jammer. Deshalb versuche ich in Kontakt zu bleiben mit der Quelle, aus der ich Liebe und Erneuerung schöpfen kann – immer! –, ohne die Stunden zu bedauern, die ich ganz normal bin und das tue, worin ich mich auskenne. Erotik und Kreativität sind für mich das Schönste im Leben. Beides ist etwas Besonderes, ein Kitzel, eine Herausforderung. Aber was, wenn ich es nicht habe? – Ich habe es ja, es ist nur manchmal verdeckt. Oder eher: Es hat mich, das ist eigentlich noch schöner als es zu haben.

Mut zum Flow

Christine:Diesen Zustand der überschäumenden Freude und Ekstase auch ohne einen Partner zu finden, das ist ja das eigentliche Ziel von Tantra. Ich glaube, wenn wir ganz vertieft sind in alles, was uns das Leben in diesem Augenblick zu bieten hat, dann erleben wir diesen kreativen Zustand des Flow. Nach der Kreativität müssen wir nicht suchen; sie umfängt uns jeden Augenblick. Das Leben steckt immer wieder voller Überraschungen, wenn wir bereit sind, sie anzunehmen und spontan sind.
Wolf: Damit sind wir bei dem, was wir mit diesem Heft wollen. Wir wollen Mut machen, das Leben anzunehmen wie es ist und dabei das Vertrauen in die eigene Kreativität stärken, es so zu gestalten, dass es gut tut: dir und allen, mit denen du zu tun hast. Sicherheitsdenken ist vernünftig, aber es macht nicht glücklich. Der Zaubertrank, der uns Menschen glücklich macht, muss ein gewisses Maß an Erotik und Kreativität enthalten – und er muss vor dem Verfallsdatum getrunken werden.



Wolf Schneider
Herausgeber

Christine Jansen

Christine Janson
Redaktion

Durchs Leben gehen als wärst du frisch verliebt

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Unwahrscheinlich erotisch
© Tina, pixelio.de

Unwahrscheinlich erotisch

Jeder von uns kennt diesen Zustand der Verliebtheit, und dann kann die Nacht noch so kurz sein, am nächsten Tag könnte man trotzdem Bäume ausreißen. Aber leider verändert sich dieses ursprüngliche Gefühl der Verliebtheit im Laufe einer Partnerschaft, und die Lebensenergie läuft wieder auf Sparflamme. Saleem Matthias Riek setzt sich damit auseinander, wie wir uns immer wieder zu einem intensiven Lebensgefühl inspirieren können – unabhängig von einem anderen Menschen.

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connection tantra special 82

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connection special

Titelblatt special Nr. 82

Tantra-Special 82
Erotik & Kreativität

machen glücklich

Mit Beiträgen von

Maggie Tapert, Regina Heckert, Saleem Matthias Riek, Wolf Schneider, Gabriele Gremmel, Christine Janson, Heinz Körner, Doris Iding, Franz Lang
und anderen

connection special Nr. 82 im Shop bestellen

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Geburt und Sexualität

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Geburt und Sexualität
© farfalla, photocase.com

Der fließende Übergang zwischen Schöpfung, Liebe und sexueller Kraft

Tara R. Franke beschäftigt sich mit einem tabuisierten Thema. Können bei einer Geburt auch sexuelle Gefühle auftreten, und wie gehen Frauen damit um? Sie berichtet von ihren eigenen Erfahrungen und erzählt aus ihrer langjährigen Praxis als Geburtshelferin.

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Erotik und Kreativität sind Geschwister

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Das Schöne im Leben
© c. sign, photocase.com

Das Schönste im Leben

Der Schöpfungsakt ist lustvoll, der leibliche ebenso wie der geistige. Erotik bedarf der Kreativität und Kreativität der Erotik, und wenn er sich für »das Schönste im Leben« zu entscheiden hätte zwischen Erotik und Kreativität würde er ... beides haben wollen, schreibt der Schöpfer und Herausgeber dieser Tantra-Specials in seiner grenzenlosen Gier. Aber er hat Glück: Die beiden Angebeteten sind Geschwister!

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connection tantra special 81

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connection special

Titelblatt special Nr. 81

Tantra-Special 81
Intimität

Wie gehen wir mit Nähe und Intimität um?
Welche Ängste verhindern eine erfüllte Sexualität ?
Wie können wir miteinander verschmelzen ohne uns selbst dabei zu verlieren?
Erotische Geschichten und tanrische Erfahrungen.

Mit Beiträgen von

Regine Hoffmann, Regina Heckert, Saleem Matthias Riek, Lucian Loosen, Gabriele Gremmel, Christine Janson, Heinz Körner, Norbert Guthier
und anderen

connection special Nr. 81 im Shop bestellen

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Editorial connection special 81

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Tanz der Liebe

Wolf: Christine, was bedeutet für dich »Intimität«?

Christine: Ich verbinde damit ein besonders inniges Gefühl zu einem anderen Menschen, vor allem auch zu einem Mann. Wenn ich mich so zeigen kann wie ich bin und mich nicht verstellen muss, das ist schon mal der Anfang. Intimität ist aber mehr als das für mich. Ich verbinde damit auch eine körperliche Innigkeit: Dem anderen meine Liebe über meinen Körper zeigen, meine Hände über seine Haut gleiten lassen, ihm in die Augen sehen, seinen Herzschlag an meiner Brust spüren... – und dann einfach nur in seinen Armen liegen und still sein. Nichts anderes im Leben scheint dann mehr von Bedeutung zu sein. Ich empfinde das als eine Form der Meditation. Das ist für mich Intimität. Findest du das kitschig? Und was verstehst du unter Intimität?

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