Dankbar für Dankbarkeit

- ein Zugang zu bedingungsloser Liebe


Strom von Liebe

In einer der letzten Satsang-Veranstaltungen mit meiner Partnerin Padma und mir berichtete eine Teilnehmerin über ihre Erfahrung von Dankbarkeit. Sie schilderte, dass es ihr in den letzten Wochen sehr gut ging und wie oft Wellen von Dankbarkeit für alles Mögliche in ihr auftauchten. Dieses Gut-Gehen, so sagte sie weiter, würde  nicht bedeuten, dass sich immer alles schön anfühlen würde. Manchmal tauchten auch Angst oder anderes Unbehagen auf. Doch dadurch, dass sie auch mit solch unangenehmem Erleben in Frieden sein konnte, hatte es kaum Gewicht. Es löste sich schnell auf und gab eine tiefere, darunter liegende Schicht von Dankbarkeit frei. So konnte sie sogar für das emotionale Missbehagen dankbar sein. Diesen Bericht trug sie in schlichten, fast sachlich klingenden Sätzen vor. Die Dankbarkeit war dennoch deutlich im Raum spürbar.
Für mich fühlt sich die Resonanz mit Dankbarkeit nach einem Geschmack unseres spirituellen Wesenskernes an. Kosten wir die innere Ruhe jenseits unseres Denkens, dann begegnen wir den Erfahrungen unseres Lebens von Natur aus in einer nicht-wertenden, liebevollen Haltung. Dann nehmen wir wahr, wie ein Strom von Liebe von uns aus zu den Dingen fließt und von den Dingen zu uns zurückschwappt. Letztlich ist Liebe das gefühlte Wissen um die niemals getrennte Verbundenheit allen Seins. Und das zu spüren, erweckt natürlicherweise Dankbarkeit.

Dankbar strahlen

Wir erkundeten zusammen noch ein wenig, wie das Erleben von Dankbarkeit sowohl Ausdruck als auch Zugang zum Erleben von Tiefe sein kann. Getrauen wir uns nämlich, die ganze Intensität von Dankbarkeit für ein Objekt – sei es ein Mensch, ein anderes Wesen oder einem Geschehen – zuzulassen, kann uns dies zu formloser, sich in alle Richtung verströmende Liebe führen und uns darin aufgehen lassen. Hier sind wir nicht mehr „dankbar für etwas“, sondern strahlen als Dankbarkeit selbst – so wie die Sonne aus sich selbst heraus strahlt, ohne zu wissen wohin oder worauf sie strahlt. Dies lässt uns dann die Form gebundene, auf Konkretes ausgerichtete Dankbarkeit umso inniger erfahren. Und dies erleichtert es uns wiederum, noch mehr die transzendente Erfahrung formloser Dankbarkeit zu genießen. Das Strahlen formloser Liebe reflektiert sich in den Formen und verstärkt sich selbst. Was für ein Leuchtfeuer der Herzenergie!

Wofür bin ich dankbar?

Das Gespräch erinnerte mich auch an die Einladung, die ich den Teilnehmern vor ein paar Wochen am Ende eines Retreat-Tages mit spontan ans Herzen legte. Die Grundstimmung an diesem Tag war von inniger formloser Liebe getragen. Zum Abschied sagte ich: „Wenn Ihr mögt, könnt Ihr heute - oder wann immer Ihr wollt - mit einer kraftvollen Selbsterforschungsfrage experimentieren. Diese Frage kann das Erleben von transzendenter Liebe spontan eröffnen oder intensivieren. Sie lautet: ‚Wofür bin ich dankbar?’„
Dies lädt unseren Geist ein, mit den Momenten erlebter Dankbarkeit echte Berührung aufzunehmen. Gerade in solchen dankbaren Augenblicken leuchtet transzendente Liebe oft besonders deutlich hervor. Unser Verstand mag das zunächst mit einer Ursache-Wirkungs-Erklärung kommentieren: „Ich bin dankbar, weil…“ oder „Ich bin dankbar für…“ Doch erlauben wir uns, wirklich hinzuspüren: Was wird da wo gespürt? Wie fühlt sich diese Dankbarkeit in unserem Körper und unserem Herzen an? Welcher Energiefluss bewegt sich da in uns? Wie ist es, den Nektar süßer Dankbarkeit unmittelbar zu kosten? Solches Spüren bewirkt schnell einen Brückenschlag von an Bedingungen gebundener Dankbarkeit hin zum direkten Erleben transzendenter Liebe. Schließlich spüren wir das liebvolle Strahlen, das von einem ortlosen Ort in uns ausgeht, alle Dinge erleuchtet, durchdringt und verbindet.

Gift Dankbarkeitsdruck

Um einem Missverständnis vorzubeugen. Bei dieser Erforschung geht es keinesfalls darum, Dankbarkeit künstlich zu erzeugen. Das ist das wunderbar Unbestechliche an echter Dankbarkeit: Sie kann gar nicht willentlich hergestellt werden. Gedanken wie „Ich muss jetzt Dankbarkeit empfinden“ oder „Ich sollte dankbar sein“ sind ein jäh wirkendes, tödliches Gift für jedes natürliche Dankgefühl. Dankbarkeit kann allerdings entdeckt werden und zwar gerade in jenen Momenten, in denen jede willentliche Anstrengung unseres Ichs von uns abfällt. Und diese Entdeckung hat Kraft – immer wieder, immer neu, immer frisch!

Dankbarkeitskonzert

Gerade gestern Abend kurz vor dem Einschlafen erklang die Frage „Wofür bin ich dankbar?“ ein weiteres Mal in meinem Geist. Sofort ließ sie ein seelisches Konzert mit ganzen Chorgesängen von konkreten und formlosen Dankbarkeitsmelodien in mir tönen? Die Liedtexte lauteten in etwas so:

Wöfür bin ich dankbar?

Ich bin dankbar dafür, in einem warmen Bett einschlafen zu können.

Ich bin dankbar, im Moment in Deutschland zu leben, einer der Nationen der Welt mit den wohl günstigsten geopolitischen und gesellschaftlichen Verhältnissen auf diesem Planeten.

Ich bin dankbar eine nun schon über 15 Jahre dauernde Liebesbeziehung mit meiner Lebenspartnerin Padma zu erleben, in der wir soviel Innigkeit und Tiefe teilen dürfen.

Ich bin dankbar für all die Zuwendung und Liebe, die ich von meinen Eltern, Großeltern und meiner sonstigen Familie erhalten habe. Sie alle gaben ihr Bestes, um mich glücklich zu machen.  

Ich bin unendlich dankbar für meine spirituellen Lehrer -  vor Allem Gangaji und Eli Jaxon-Bear (aber auch viele Andere)-, die mich so rückhaltlos auf die Möglichkeit eines befreiten Lebens verwiesen haben.

Ich bin dankbar für die ungeheure spirituelle Kraft Namens Sri Ramana Maharshi, der so viel Frieden und Selbsterkenntnis in die Leben vieler Menschen gebracht hat.

Ich bin dankbar, dass sich in mir selbst die Erfahrung von Freiheit und Frieden so tiefgreifend offenbaren konnte und ins Leben verkörpert hat. (Das ist vermutlich die größte aller Dankbarkeiten)

Ich bin dankbar für all die Begegnungen und den Austausch mit „spirituellen Suchern und Findern“, die Ahnungen von Wahrheit oder selbst ein tiefgreifendes Erwachen erfahren haben.

Ich bin dankbar für die vielen Herausforderungen, Tests und spirituellen Fallen, die in meinem Vertiefungsprozess der Entdeckung von Freiheit aufgetaucht sind und mir so immer neue Chance zur Bereinigung und klarerem Sehen gegeben haben.

Ich bin dankbar für meinen „Schreiblehrer“ Dietmar Bittrich, der mich ermutigte, meine Erfahrungen von Freiheit auch einen schriftlichen Ausdruck finden zu lassen und mich geduldig dazu „coachte“ einen  - vielleicht? – klaren und verständlichen Schreibstil zu entwickeln.

Ich bin dankbar für Wolf Schneider (Connection-Verlag) und andere Verleger, die meine und andere spirituelle Texte wertschätzen und sich oft mit enorm viel Engagement und Arbeit dafür einsetzen, Spiritualität einen größeren öffentlichen Raum zu verschaffen.

Diese Liste könnte lange, lange weitergehen. Sie würde immer enden mit:

Ich bin dankbar für die Dankbarkeit dieses Momentes.

Ich bin die Dankbarkeit dieses Momentes.

Und jetzt Schluss mit Dankbarkeit

Und jetzt bin ich – und vielleicht auch Du als Leser – dafür dankbar, das Thema Dankbarkeit wieder im Nirwana des Vergessens aller Begrifflichkeiten verschwinden zu lassen – außer es will von selbst noch ein wenig nachschwingen.

Torsten Brügge, Hamburg 31.1.2013