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Auf meinen letzten Blogeintrag über "Wert und Gefahr von Typologien in der psycho-spirituellen Entwicklung", auf den ich auch in der Facebook-Gruppe "Satsang - erwachte Begegnungen" hinwies, gab es dort von Jemandem den kurzen Kommentar: "WAS?????".

Natürlich weiß ich nicht, was mit diesem eigentlich nichts-sagenden Kommentar gemeint ist, hatte aber eine Ahnung, was er meinen könnte, nämlich die Überraschung oder das Entsetzen, dass man sich in Satsang-Kreisen überhaupt mit Typologien beschäftigt. Um das zu erläutern, gab es dann von mir folgende Antwort auf den Kommentar:

"was WAS???? oder das DAS!!!! - es gibt eine relative Sichtweise, in der intelligente Unterscheidungen sinnvoll sind - es gibt eine absolute Sichtweise in der jede Unterscheidung wegfällt - nonduale Erkenntnis schließt beide ein und erkennt, dass es zwischen ihnen keinen Unterschied gibt - manche Unterscheidung des Relativen verweisen sogar auf die untrennbare Einheit des Absoluten - nonduale Erkenntnis transzendiert das Relative UND integriert es - nonduale Konzeptualisierung transzendiert das Relative, identifiziert sich mit dem Absoluten und spaltet das Relative ab - das wäre nur eine neue Art von -jetzt subtilem- Dualismus
- das ist jedenfalls "meine" Erfahrung"

Das ist eine recht abstrakte, komprimierte Darstellung und ich hoffe die Blog-Leser können damit etwas anfangen. Ansonsten bitte nachfragen, dann konkretisiere ich gerne!


herzlich


Torsten

 

 

 

 

 

 

 

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Liebe Leser,

da ich vor ein paar Tagen im Wilber-Forum der Connection einen recht ausführlichen Beitrag zu dem Thema „Wert und Gefahren von Typologien“ eingestellt habe und dieser auch allgemein für „Nicht-Wilber-Kenner“ interessant sein könnte, poste ich ihn hier auch dem Blog:

 

Hallo Oliver,

 

danke für Deine Frage im Forum. Ja, das mit den Typologien kann schon manchmal verwirrend sein, deshalb hier eine ausführlichere Antwort, die allgemein auf Typologien eingeht:

 

Zur Beginn erstmal noch mal eine kurze grundsätzliche Erläuterung der Bedeutung von Typologien bei Wilbers Integralem Modell.

 

Typologien sind eine von 5 Hauptelementen des Integralen Modells (die anderen sind die vier Quadranten, die Bewusstseins-Ebenen, die Bewusstseins-Zustände und die Entwicklungslinien).

Typologien beschreiben typische Eigenschaften (meist von Individuen), die sie mehr oder weniger über die ganze Entwicklung hinweg charakterisieren. Dabei können sich die „Typen“ natürlich durchaus über die Bewusstseins-Ebenen hinweg entwickeln. Dennoch bleibt der „Grundgeschmack“ einer typischen Eigenschaft erhalten, zeigt sich auf den verschiedenen Ebenen aber unterschiedlich in abgewandelter Funktion.

Hier ein praktisches Beispiel in der Kombination von moralischer Entwicklung und der simplen Typologie männlich/weiblich:

 

Die moralisch-ethische Entwicklung nach dem Integralen Modell (angelehnt an die Moraltheorie von Lawrence Kohlberg) geht über folgende Bewusstseins-Ebenen (oder auch Stufen genannt):

 

1.          präkonventionell - egozentrischen, kreist um das eigene Ich

2.          konventionell - ethnozentrisch, kreist um das „Wir“ der eigenen Bezugsgruppe

3.          postkonventionell -weltzentrisch, umfasst das „Wir alle“ der gesamten Menschheit

4.          integriert oder auch „transzendent liebend“ - umfasst „das Wir aller Wesen aller Ebenen“, allumfassendes Mitgefühl (Karuna)

 

Alle Menschen durchlaufen diese Stufen und der „Kreis unseres Mitgefühls“ erweitert sich auf diese Weise (das wäre eine Entwicklung über die Ebenen hinweg)

 

Die feministische Ethikerin Carol Gilligan stellte Untersuchungen an, bei der sie feststellte, dass diese Stufen von Männern und Frauen jeweils auf eine für das Geschlecht typische Weise erlebte und ausgedrückt werden: Männer betonten bei ihren moralischen Urteilen eher Werte wie Autonomie, Rechte und Gerechtigkeit. Die moralischen Urteile der Frauen beruhen gründen sich eher auf Beziehungen, Fürsorge und Verantwortlichkeit beruhte.

Hier ein kurzes Zitat von Wilber, der die Typologie Männlich/Weiblich beschreibt (natürlich nur grob, die Gender-Debatte muss natürlich viel umfassender sein und sowohl genetisch-physiologische Faktoren, psychologisches Erleben, Einflüsse von gesellschaftlichen Werten und Strukturen einbeziehen, was Wilber an anderen Stelle auch macht):

„ Männer neigen zum Tun; Frauen eher zu Gemeinschaft. Männer richten sich nach Regeln; Frauen orientieren sich an Kontakten. Männer schauen; Frauen berühren. Männer neigen zum Individualismus, Frauen zu Beziehungen. Eine von Gilligans Lieblingsgeschichten: Ein kleiner Junge und ein Mädchen spielen zusammen:

Sagt der Junge: »Lass uns Seeräuber spielen!« Sagt das Mädchen: »Lass uns spielen, dass wir Nachbarn sind.« Der Junge: »Nein, ich will Seeräuber spielen!« »Na gut, dann spielst du einen Seeräuber, der nebenan wohnt.«

 

Über die Gefahr, die in jeder Anwendung von Typologien liegt, schreibe ich gleich noch etwas, aber offensichtliche, typische Unterschiede auf der Erscheinungsebene des Seins zu übersehen, kann zu einer naiven und gleichmacherischen Weltsicht führen. Und es liegt ein Wert in der Beschäftigung mit Typologien. Manchmal kann es ungeheuer befreiend sein, bestimmte Typen zu erkennen, besonders dann, wenn man sich zum Beispiel selbst unbewusst mit einem Typ identifiziert und denkt, dass eigene Sein mit diesen typischen Merkmalen wäre die ganze Wirklichkeit. Wenn man dann erkennt „Aha, es gibt auch andere Typ-Strukturen als meine“, befreit  die einen aus einer unbewussten Einseitigkeit und erweitert den Kreis der Wahrnehmung und der Einfühlung in sich selbst und andere erheblich. Wenn ich beispielsweise weiß, dass viele meiner eher männlichen Erlebens- und Verhaltensweise sich von weiblichen erheblich unterscheiden, werde vielleicht ich offener, die weiblichen Erlebens- und Verhaltensweisen zu erkunden und mich einzufühlen. Darin liegt der Wert von Typologien, mit ihnen kann ich mich aus unbewussten Mustern befreien.

 

Natürlich gibt es auch große Gefahren in der Beschäftigung mit Typologien. Wir können sie leicht wieder dazu benutzen für uns selbst und andere Leiden zu erschaffen. Zum Beispiel in dem wir sie zu einer absoluten Wahrheit erhöhen (wir vergessen, dass es nur ein Landkarte und nicht die Landschaft darstellt). Dann halten wir vielleicht  an einer bestimmten Typologie fest. Daraus resultiert dann eine trennende Weltsicht. Wir halten bestimmte Typen für besser oder wertvoller als andere. Wir benutzen Typologien um zu projizieren und andere (oder uns selbst) abzuwerten: „Du bist doch so ein Typ (Löwe, Choleriker, Enneagramm-Typ 8), deshalb bist Du so komisch!“ Jede Typologie braucht einen sehr achtsamen Umgang. Man sollte sich bewusst sein, wofür man sie gebrauchen will. Man kann sie für Selbst-Reflexion benutzen, aber sie andere „um die Ohren zu hauen“ wird schnell zu einem Missbrauch.

 

Zurück zu der Verwirrung. Es gibt natürlich sehr, sehr viele Typologien im psychologisch-spirituellen-heilerischen Bereich. Die meisten sind wissenschaftlich  nicht anerkannt. Typologien können sich eher an äußeren Eigenschaften (Quadrant III und IV) oder eher an innerem Erleben (Quadrant II und III) orientieren oder manchmal alle Quadranten umfassen.

 

Neben einer Gender-Typologie ist vielleicht die bekannteste (und auch wissenschaftlich am besten erforschte) Typologie die von Introversion und Extraversion. Sie zielt auf Persönlichkeitseigenschaften ab, die durch die Interaktion mit der Umwelt charakterisiert werden. „Er ist ganz schön introventiert“ Darunter können sich viele Leute schnell etwas vorstellen.

 

Weithin bekannt ist wohl auch das Persönlichkeitsmodell der Temperamentenlehre, die auf der Säfte-Lehre (einer schon in der Antiken aufkommenden Medizin-Theorie) beruht und vier Haupttypen kennt: Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker und Choleriker. Hier kann man auch Bezüge zur der Fünf-Elementen-Lehre der traditionelle chinesischen Medizin ziehen.

 

Und es gibt noch unzählige andere Typologien aus verschieden Weisheits-Tradition, das kann echt verwirren.

 

Für mich persönlich und meine Tätigkeit als spiritueller Begleiter (auch in der Bodhisattva Schule zusammen mit meiner Partnerin Padma)  habe ich für die Bewusstseinsebenen, für die eine Typologie hilfreich ist, eindeutig einen Vorzug zu der Typologie des „Enneagramms“ (das Du ja in Deiner Frage auch erwähntest).  Dabei ist es mir allerdings sehr wichtig, dass beim Enneagramm auch die spirituelle Dimension des absoluten Bewusstseins eingebunden wird, wie es zum Beispiel Eli Jaxon-Bear tut (Buchempfehlung: „Das spirituelle Enneagramm“). Dabei wird auch immer wieder dazu ermutigt, die absolute Dimension reinen Gewahrseins ganz direkt zu erfahren. Auf dieser Ebene wird jede Typologie ungültig, da wir uns als ungetrenntes, eigenschaftsloses Bewusstsein erfahren. Und genau diese direkte Erfahrung unterstützt es dann, auf der relativen Ebene der Erscheinungen, uns von den Mustern unseres Körper-Seele-Geist-Mechanismus weiter zu de-identifzieren, sie zu lösen und auch zu transzendieren.

 Das Enneagramm der Befreiung - Padma Wolff

So ist für mich das Enneagramm ein sehr wertvolles Instrument, um oft unbewusste Identifikationsmuster aufzudecken und zu lösen. Es beschreibt unter Einbeziehung zahlreicher Elemente (charakteristische Haupteigenschaften, Kommunikationsmuster Leidenschaften, Sprachstil, Idealisierungen, vermiedene Gefühle, Abwehrmechanismen, Strukturen der animalischen Triebe… u.a. ) wie Identifikations- und Leidesmuster entstehen und aufrecht erhalten werden. (siehe auch die Grafik mit den „archteypischen Klischees“ des Enneagramms).

 

Dann regt es durch die Bewusstwerdung und die Ermutigung zum direkten Erleben an, sich aus den gewohnheitsmäßigen Mustern zu lösen und die transzendenten Bereiche des eigenen Charakters, die ein klarer Ausdruck der absoluten Seinsebenen sind, zu erleben und im eigenen Leben erstrahlen zu lassen.

 

Wenn ich hier so begeistert vom Enneagramm schreibe, heißt das nicht, dass ich andere Typologie ablehne oder sie nicht wertvoll finden. Aber ich habe keine andere Typologie gefunden, die so detailliert und rückhaltlos die typischen Strukturen unseres Egos aufdeckt und löst (wenn man bereit ist, sich auf das direkte Erleben einzulassen).

Deshalb ist es auch ein wesentlicher Teil der Ausbildung in unserer Bodhisattva Schule.

 

Ich hoffe die Beantwortung der Frage hat Dir etwas weiter geholfen. Letztlich kannst Du ja nur selbst herausfinden, welche Typologie für Dich nützlich und befreiend wirkt. Ich würde auch zu einer Art rhythmischen Wechsel zwischen Phasen der Beschäftigung mit einer Typologie und Phasen des totalen Loslassens aller Kategorisierungen raten. Dann vermeidest Du das Extrem „auf einer Seite stecken zu bleiben“ und kannst sowohl den Wert von Typologien, als auch den Wert dessen entdecken, was unser aller liebster Typ ist: stilles, regloses Bewusstsein. ;-)

 

Torsten  

 

Wenn es interessiert:

Ab Ende August gibt es einen neuen Grundkurs der Bodhisattva Schule www.bodhisat.de und meine Partnerin Padma Wolff bietet Enneagramm Seminare (nach dem Ansatz Eli Jaxon-Bears an) www.sevaa.de. Ennegaramm Seminaredirekt bei Eli Jaxon Bear: www.leela.org

 

Von der Bodhisattva Schule gibt es jetzt übrigens auch eine eigene Facebook-Seite: https://www.facebook.com/BodhisattvaSchule

 

 

 

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Leere und Fülle – die beiden Geschmäcker des einen Seins
Ein kleiner Reisebericht aus der Höhle des heiligen Vashishta


Wie auch mit unseren vorigen Retreat-Gruppen besuchten wir auf unserer Indienreise an den Ganges im Februar dieses Jahreseinen sehr besonderen Ort in der wilden Natur nördlich von Rishikesh. Dabei handelt es sich um die „Vashishta Cave“, die Höhle des Vashishta (ausgesprochen: „Waschischta“). Ihren Namen trägt die Höhle, weil der Sage nach hier auch der heilige Vashishta gelebt haben soll. Er wird in der berühmten hinduistischen Schrift „Yoga Vashishta“ erwähnt. Darin unterweist der Vashishta seinen Schüler, den Prinzen Rama, in der Philosophie des Advaita Vedanta, welche die illusorische Natur der manifesten Welt und das Prinzip der Nicht-Zweiheit betont.

Ganga Vashishta Cave
Tatsächlich bietet allein die Beschaffenheit der Höhle und ihrer Umgebung ein vorzügliches Lehrstück spiritueller Erkenntnis. Für mich werden hier jene Polaritäten auf besonders eindrucksvolle Weise bewusst, die in beinahe jeder mystischen Tradition Erwähnung finden: Leere und Fülle. Und vor allem wird an diesem Platz deutlich, wie beide Pole als Ausdruck desselben Seins erfahren werden können.
Da gibt es einmal die eigentliche Vasishta-Höhle. Im steil aufragenden Fels nahe dem Gangesstrand sieht man den dunklen Eingang zur Höhle. Ungefähr so hoch, dass man leicht geduckt darin stehen kann, und etwa gleich breit führt ein schmaler Gang 30 Meter tief ins Gestein hinein. Erst ganz am Ende dehnt sich die Höhle in eine nur wenig breitere und höhere Arena  aus.
In die Höhle hineinzugehen ist ein kleines Abenteuer. Man zieht die Schuhe aus und stapft in die totale Finsternis. Licht von Taschenlampen, Kameras und Handydisplays ist unerwünscht, deshalb bleibt es zunächst rabenschwarz. Man ist sich nicht ganz sicher, ob der nächste kleine Schmerz in der Fußsohle bloß von einem spitzen Steinchen oder einem giftigen Skorpion herrührt oder ob man durch einen ungeschickten Schritt vielleicht gleich einer Gruppe in der Höhle still Meditierender auf die Füße tritt oder in sie hineinstürzt. Erst ganz hinten in der Höhle zeigt sich gedämpftes Licht. Wenige leuchtende Öllämpchen bescheinen schwach ein paar kleine Heiligen-Statuen und eine bizarr geformte, grauschwarze Felswand. Im Rachen eines Tigers könnte es ähnlich aussehen.
Noch interessanter aber ist die spirituelle Atmosphäre, die dieser Ort ausströmt. Und in deren Bann man gezogen wird, sobald man stehen bleibt und die Höhle auf sich wirken lässt. In der buddhistischen Meditationspraxis wird empfohlen, „die Tore der Sinne zu verschließen“, um sich in tiefe, innere  Versenkung zu begeben. Genau das scheint in der Höhle ganz von allein zu geschehen. Der massive Fels rundherum gewährleistet eine komplette Abschottung von der Außenwelt. Licht fällt hier nicht herein. Geräusche von Menschen oder Natur werden abgedämpft. Alles verstummt hier. Setzt man sich dann noch hin, um ganz in die Stimmung dieses Ortes abzutauchen, scheint es, als würden auch alle anderen Sinnesempfindungen weiter ausgelöscht werden. Das gilt auch für das Denken – welches übrigens in der buddhistischen Psychologie tatsächlich zu den Sinnesempfindungen gerechnet wird. Es ist, als ob unser sonst so schnell laufender und umherspringender Verstand hier in schwarzen, zähen Asphalt tappt. Er kann nicht anders: Er wird ausgebremst. Er wird langsamer. Er kommt zur Ruhe. Er hält an. Und mit dem Denken verschwinden auch sämtliche Eindrücke des Körpers und der Welt.
Was bleibt noch übrig, wenn weder Sinne noch Denken aktiv sind, wenn es nichts gibt, das gefühlt, gespürt oder über das nachgedacht werden könnte? Im Sanskrit wird dies als Nirvikalpa Samadhi (formlose Versenkung) bezeichnet und als ein für spirituelle Selbsterkenntnis äußerst wertvoller Bewusstseinszustand erachtet. Ein meditativer Zustand der inneren, sich frei anfühlenden vollkommenen Leere. Doch „innere Leere“ stimmt hier nicht ganz. Denn auch die gedankliche Trennung von „innen und außen“ fällt in diesem Zustand weg. Es handelt sich also um ein bewusstes, grenzenloses Nichts.
Worte bleiben letztlich unzulänglich, um die Tiefe solch einer „Leerheits-Erfahrung“, die auch eine „Nicht-Erfahrung“ ist, genau zu erfassen. Ein Teilnehmer des Retreats muss allerdings einen Geschmack davon bekommen haben. Er berichtete später: „Es war erstaunlich. In der Höhle fühlte sich alles leer und zugleich vollkommen durchlässig an. So als existiere auch der Fels, der uns umgab, in Wirklichkeit gar nicht.“
Im Kontrast zu der Leere im Inneren der Höhle entfaltete sich beim Verlassen des Dunkels überschwängliche Fülle. Nur ein paar Schritte, und man befindet sich an einem der zauberhaften Strände des Ganges (siehe Fotos). Hier, nördlich von Rishikesh, zeigt sich der Fluss noch mit seinem ursprünglichen, naturbelassenen Gesicht. Sein Bett und seine Ufer haben einen ganz eigenen Zauber. Der Sand an den Stränden ist feinkörnig, wie an einem perfekten Badestrand, ganz weiß und zusätzlich mit winzigen, silbern glitzernden Körnchen versehen. An den Ufern findet man Gestein jeder Größe. Angefangen von riesigen über mannsgroße Felsblöcke bis hin zu winzigen Kieseln. Die meisten Steine sind durch das Wasser feingeschliffen und haben handschmeichelnde Oberflächen. Steinestreicheln könnte hier zu einem genussvollen Hobby werden.
Durch die regelmäßigen kraftvollen Überschwemmungen während der Schneeschmelze in den höheren Regionen des Himalaya ordnen die Fluten des Ganges jedes Jahr die Strände und Steinhaufen auf neue Weise an – jedes Mal mit dem perfekten Schwung von Wildheit und Weichheit, die natürliche Wassermassen auftragen. Am Ufer ragen steile Hügel in die Höhe. Begrünt mit allerlei Bäumen und Sträuchern. Aber nur so hoch, dass man fast den ganzen Tag die Sonne Indiens direkt am Strand genießen kann.
Durch all das zieht die heilige Ganga (der Gangesfluss) ihre mäandernden Bahnen. Unglaubliche Wassermassen strömen aus dem Himalaya mit beachtlicher Geschwindigkeit und unberechenbaren Strömungen bergab. Manchmal ohne jedes Geräusch. Manchmal über Stromschnellen mit einem solchen Getöse, dass man in ihrer Nähe kein anderes Geräusch als das Donnern und Grollen der wild auf Stein stoßenden Wassermassen hören kann.
Meist zeigt sich der Fluss in türkisen Tönen, welche unter manchen Lichtverhältnissen wie außerirdisch wirken. Zu anderen Zeiten, wenn sich die ausgeschwemmten Erden und Gesteine aus unterschiedlichen Zuflüssen verschiedenartig mischen, färben sich die Fluten aus der Ferne betrachtet in ein sanftes Braun. Geht man nah heran, wirkt das Wasser aber immer glasklar. Der Fluss ist so sauber, dass man in dieser Gegend – auch als Westler – sorgenfrei baden kann. Es ist eine wunderbare Erfrischung und ein Segen nach dem Aufenthalt unter der heißen Sonne Indiens, ein Bad in dem kalten Wasser von Ganga zu nehmen und sich auf einem der glatt geschmirgelten Steine wieder trocknen und wärmen zu lassen. Vielleicht lässt sich dann noch einer der vielen Fischreiher ein paar Steine weiter nieder. Mit vollkommener Geduld und Konzentration beobachtet er reglos die vorbeischwimmende Beute. Und mit einem pfeilgenauen, blitzschnellen Zustechen seines Schnabels hat er sie schon erlegt und genießt das Festmahl. In so einem Augenblick könnte meinen, man wäre in der Urzeit gelandet .
Der heilige Vashishta muss auch die Fülle der Natur geliebt haben, wenn er aus seiner Höhle trat und seine innere Versenkung im Nirvikalpa Samadhi in einen Genuss der Erscheinungen im Savikalpa Samadhi überging. Savikalpa Samadhi ist eine meditative Versenkung „mit Formen“ (Kalpas). Sie tritt zum Beispiel bei der intensiven Betrachtung eines Steines, einer Pflanze oder eines Tieres in Erscheinung – oder in der andächtigen Betrachtung des stetig dahinfließenden Ganges. Dabei richtet sich der Geist so sehr auf ein Objekt aus, dass es keinen Raum für Grübeleien, Sorgen, Erinnerungen oder Pläne gibt. Geht diese Versenkung tief, verliert sich der Eindruck von Betrachter, Betrachtung und Betrachtetem. Was bleibt, ist das reine, ichlose Bewusstsein mit dem jeweiligen Inhalt. In dieser Qualität kann sämtliche Vielfältigkeit der Erscheinungen mit gleichmütiger Glückseligkeit gekostet werden.
An Vashishtas Gangesstrand zeigt sich die unbeschreibliche Vielfältigkeit und Schönheit der Erscheinungswelt deutlich. Man kann die Fülle nicht übersehen. Man wird von ihr ergriffen. Die Fülle ist genauso ein Zugang zu spiritueller Tiefe wie die Leere. In den spirituellen Traditionen des Ostens wird das am deutlichsten bei den diesseitsbejahenden tantrischen Ausrichtungen von Hinduismus und Buddhismus. Hier wird gerade das unmittelbare sinnliche Erleben als Zugang zu spirituellem Erleben genutzt. Man könnte sagen, hier geht es darum, „die Tore der Sinne vollständig zu öffnen“, um sich von der göttlichen Energie der Welt ganz durchströmen zu lassen. Auch auf diese Weise wird deutlich, dass es kein Ich innerhalb der Sinnestore gibt, sondern nur reines Gewahrsein, welches alle Erfahrungen hervorbringt, um sie selbst kosten zu dürfen.
Am Anfang unserer Entdeckung spiritueller Tiefe scheinen Leere und Fülle, Sinnesverzicht und Sinnesgenuss, selige Dunkelheit und strahlendes Licht wie Widersprüche daherzukommen. Bis wir merken, dass beide Pole gleichrangige Spielarten des Seins sind. Wir können uns in beiden verlieren und wir dürfen uns in beiden selbst wiedererkennen. Je umfassender unsere Erkenntnis wird, desto mehr wird uns die Gleichwertigkeit und Gleichzeitigkeit beider Aspekte bewusst. Und dann dürfen wir sogar diese letzte Unterscheidung in „Leere und Fülle“ beiseitelassen und sie als „Eins ohne ein Zweites“ kosten.
So eröffnet sich uns, was Sri Ramana Maharshi „Sahaja Samadhi“ genannt hat. Das ist die „natürliche Versenkung“, die als unsere wahre Natur immer gegenwärtig ist. Im Vordergrund mögen Formen und Zustände der Fülle auftauchen. Sie wechseln sich mit Formlosigkeit und Zuständen der Leere ab. Im Hintergrund bleibt das absolute Bewusstsein als natürlicher Frieden unangetastet. Hört sich das nach etwas Besonderem an? In Wirklichkeit ist es das Einfachste und Natürlichste überhaupt. Es ist das stille Bewusstsein, welches als der Zeuge aller Denkaktivität immer in uns ruht und nichts zu verstehen braucht. Es ist der natürliche Frieden des Seins, der  – egal wie oft wir uns im emotionalen Drama unseres kleinen Ichs verloren haben – geduldig auf seine Wiederentdeckung wartet. Es ist das große Nicht-Tun, das schon immer anwesend ist und uns endlich wieder von aller Anstrengung der Erreichens oder Vermeidens entspannt.
Eine dritte Tormetapher beschreibt die ungewöhnliche Entdeckung dieser Natürlichkeit. Die Buddhisten sprechen davon, durch „das torlose Tor“ zu gehen. Am Anfang denken wir, es gäbe ein Außen und ein Innen. Meist haben wir uns in einer nach außen gerichteten Bewegung unseres Geistes verloren. Wir gierten nach der Erscheinungswelt, hielten Teile von ihr fest oder wollten andere Teile loswerden. Dann ist es ganz natürlich, dass wir zurück nach innen wollten. Wir ahnen, dass es in unserem „Innersten“ die Ruhe einer unantastbaren Leere zu entdecken gibt. Betreten wir aber dieses Tor zum Inneren und sehen wir uns von innen her um, merken wir, dass das Tor niemals existiert hat. Jede Abgrenzung war nur eingebildet und jedes Tun, um ins Innere zu gelangen, ebenso. Jetzt fallen alle illusorischen Wände weg. Wir haben freien Blick. Es gibt nichts mehr zu tun. Nirgendwo hinzukommen. Wir sind zuhause in der Weite des Seins. Nichts wird gebraucht. Alles kann genossen werden. Und wir erkennen: Alles war schon immer aus Nichts gemacht.     

Torsten Brügge - www.bodhisat.de

 

 

 

 

 

 

 

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Posted by on in Wolf Schneider

Die Vorhut der Ökos, der Grünen war ausgebrannt. Diese Pioniere wollten eine Veränderung in der Außenwelt, in der Politik; sie wollten, dass die Naturzerstörung endlich aufhört. Dabei vergaßen sie, dass auch ihre Innenwelt wichtig ist: Wenn Menschen ihre eigene, innere Natur missachten, um die äußere Natur zu retten, dann muss das schief gehen. Dann verbittern sie und werden gewalttätig oder depressiv. Es musste in der Ökobwegung etwas Neues geben, so etwas wie die Tiefenökologie. Diese von Vorreitern wie Joanna Macy und Thich Nhat Hanh vertretene Richtung des Natur- und Weltbegzugs bezieht das Innere mit ein; sie weiß um den Bezug zwischen innen und außen. Sie erkennt den Organismus der Erde – Gaia – als ein Ganzes und ebenso die Innen/außen-Ganzheit jedes einzelnen Wesens, das dort lebt, fühlt und wahrnimmt. 

 

Gemeinplätze der Popspiritualität

Da nun ein Großteil der »Meme« – der sich ausbreitenden Denk- und Fühlweisen – von Psychos, Spiris und Esos in den Mainstream hineindriften, muss jetzt auch die spirituelle Bewegung eine »Tiefenspiritualität« entwickeln. Was im Mainstream unter dem Begriff »spirituell« angekommen ist, das sind die am leichtesten verdaulichen Gemeinplätze der spirituellen Bewegung, das Anpassbare. Das, was man verkaufen kann. Das, womit der Bürger dieser Konsumgesellschaft seine Komfortzone nicht zu verlassen braucht. Dazu gehören das positive Denken, das Resonanzgesetz, die Bevorzugung einer Kischversion des Herzens gegenüber dem geschmähten Kopf, die Sinnfindung auf Teufel komm raus (»Es gibt keine Zufälle«); das psychoanalysierende Überinterpretieren von Ereignissen, die ganz profane Gründe haben können; die umfassende Akzeptanz, ja Verehrung jeder Art von innerer Stimme oder Eingebung; die Künstlichkeit eines Selbstes, das meint, sich vom Ego absetzen zu können ohne dabei werten zu müssen – und vieles andere mehr. 

 

Neupositionierung von Connection

Zum einen habe ich persönlich das Bedürfnis, mich nicht von einer verflachten, kommerzialisierten oder Kitsch-Version von Spiritualität einlullen zu lassen zu einer Selbstgratulation der Art wie: Jetzt haben wir es geschafft, unsere Zeit ist gekommen, wir Pioniere waren die Vorhut, wir haben die ersten Schneisen ins Unterholz des Mainstreams, das alten, naturzerstörenden und spirit-ignoraten Mainstreams geschlagen. Zum anderen – siehe unseren Aufruf – muss ich nun meine Zeitschrift Connection neu positionieren; diese Zeitschrift, die wie kaum eine andere Vorhut dieser Bewegung war. Gibt es wirklich Bedarf für eine Tiefenspiritualität gegenüber der sich ausbreitenden Popspiritualität?

 

Die Konjunktur von Bauch und Herz

Und nochmal, für alle diejenigen, die noch immer denken, ich kleiner Verleger und Autor würde damit nur die zu hoch hängenden Trauben der Bonanza des Spirits im Mainstream schmähen: Wenn noch mehr Menschen auch nur anfangen, sich mit der Frage zu befassen, was der Vorzug des Herzens gegenüber dem Kopf oder eines Handelns »aus dem Bauch raus« sein kann, ist das gut. 

Wer aber ein bisschen genauer hinschaut, wird sehen: Was wird da mit »Bauch« und »Herz« nicht alles gerechtfertigt! Aus diesen frisch »spirituell« gewordenen Herzen und Bäuchen heraus werden Andersdenkende gedemütigt, ausgegrenzt, entwürdigt, verleumdet, über den Tisch gezogen und für die verschiedensten »unspirituellen« Zwecke benutzt. Nicht immer, aber immer öfter – weil nun der Mainstream sich dieses Jargons bemächtigt, dass »aus dem Bauch raus« irgendwie gut, weil intuitiv ist (wir sind ja alle emotional intelligent) und das Herz ist ja, wie wir alle wissen, viel besser als der Kopf. 

 

Spirituelle Praxis und »zweite Helfer«

Es braucht solche »Zweiten Helfer«, wie Eli Jaxon Bear sie in seinem Artikel zum Titelthema in unserem aktuellen Heft »Erwachendes Bewusstsein« fordert, sonst wird aus der spirituellen Bewegung eine neue bigotte Weltreligion mit ihren ganz eigenen Formen der Heuchelei und Seichtheit, der Massenhypnosen und des Mitläufertums. 

Wer wirklich meditiert und einsteigt in eine große spirituelle Praxis, eine nicht nur tröstende, sondern wirklich transformierende, der weiß, dass eine Wandel des Jargons im Mainstream noch nicht unbedingt einen Aufstieg der Kultur zu höheren Bewusstsein zur Folge hat. Dafür braucht es andere, tiefer schürfende Beobachter und Helfer. Dafür braucht es Tiefenspiritualität. 

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Posted by on in Torsten Brügge

Rettungsaktion wegen starker Resonanz verlängert bis zum 15. Mai:

 

Liebe Leser,

ich möchte hier auch an dieser Stelle - in meinem Connection-Blog - noch mal auf die "Rettungsaktion" für die Printversion der Zeitschrift Connection spirit hinweisen.

Im folgenden findet Ihr die Grafik und unten den Text, den meine Partnerin Padma Wollf und Ich dazu, auf Facebook gepostet haben.

 

Rettungsaktion für die Zeitschrift Connectionspirit

Wir möchten hiermit auf die Rettungsaktion für die Zeitschrift Connectionspirit hinweisen:
Die Connection ist die einzige überregionale spirituelle Zeitschrift auf Deutsch, die konsequent der Transzendenz verpflichtet ist und sich dabei nicht als Vertreterin eines bestimmten spirituellen oder heilerischen Lagers (einer Methode oder Person) versteht.

Aufgrund verschiedener neuer Entwicklungen auf dem Print-Medien-Markt, die vor allem der manchmal seichten „Popspiritualität“ (siehe auch die Beschreibungen des Verlegers Wolf Schneider in seinem Verlagsrundbrief) zu Gute kommen, hat die Zeitschrift im Moment ernste Existenzschwierigkeiten und es droht die Einstellung der Print-Version.

Wir persönlich schätzen die sehr engagierte Arbeit des Verlegers und Redakteurs Wolf Schneider und des gesamten Connection-Teams ausserordentlich und fänden es bedauernswert, wenn die Printversion eingestellt wird.

Wer ähnlich empfindet - oder überhaupt die Öffentlichkeitsarbeit für authentische und tiefgehende Spiritualität fördern möchte - kann die Connection ganz praktisch unterstützen durch einen Abo-Erwerb (für sich selbst oder Freunde). Preis nach Selbsteinschätzung 35,- bis 47,- € pro Jahr. Bis zum 1.5.2013 (jetzt verlängert bis zum 15. Mai) braucht der Verlag 150 neue Abonnomenten, damit es weitergehen kann.

Es gibt noch andere gute Gründe, die für die Connection sprechen. Dazu mehr in dem Verlagsrundbrief, den man sich auf www.connection.de herunterladen kann.
Gerne kann dieser Hinweis auf Facebook und anderen Medien weitergegeben werden.

Torsten Brügge und Padma Wolff www.bodhisat.de

 

 

 

 

 

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 Liebe Leser,

wem meine Blogbeiträge hier auf connection.de gefallen, mag vielleicht auch die Kurztexte auf meinem Twitterkanal anschauen:
 
https://twitter.com/TorstenBruegge

Ich habe vor, in den nächsten Wochen und Monaten wieder regelmäßig zu "tweeten" und die meisten der Kurztexte auch gleichzeitig als ansprechende Grafiken zu gestalten (siehe Bildbeispiele).

Twitter Torsten Brügge

Die Texte verstehe ich vor Allem als kleine, komprimierte "Erinnerungshilfen" (im Sinne eines Er"innerns" als eines Nach-"Innen"-Gehens), welche zum Innehalten und der Entdeckung spiritueller Tiefe einladen - immer wieder frisch, immer wieder weiter, tiefer und klarer.
Bei Gefallen kann man sich diese Grafiken auch herunterladen, ausdrucken, sich irgendwo anheften, als Lesezeichen verwenden, auf dem Smartphone als Hintergrundbild einspielen - oder schlicht verbrennen und sich so für die nächste Offenbarung von Wahrheit öffnen ;-) .

 herzlichen Gruß

Torsten

 https://twitter.com/TorstenBruegge

 

 

 

 

 

 

 

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Bei unserem Besuch in Lucknow/Indien, der hauptsächlichen „Wirkstätte“ Sri Poonjajis (genannt Papaji, 1910-1997) mit unseren Lehrern Gangaji und Eli Jaxon-Bear, ergab sich die Gelegenheit, die Wohnung, in der Papaji lebte und die noch heute von seiner Familie genutzt wird, zu besuchen. Ich war zuletzt 1996 in Lucknow und erlebte Papaji noch „live“. Allerdings besuchte ich damals nur den „Satsang-Bhavan“, eine Art Veranstaltungshalle, in der Papaji damals - für 300 bis 400 Menschen - für Satsang zur Verfügung stand.


Vor allem Papajis Fähigkeit, die radikale Selbsterforschung, in die er von seinem Meister Sri Ramana Maharshi eingeweiht wurde, auf wunderbar verständliche Weise zu vermitteln, und seine Kraft, Menschen oft sehr schnell zu einem direkten Einblick in die natürliche Stille und Einfachheit des Seins zu führen, beeindruckten mich zutiefst.


Im Schlafzimmer seines privaten Wohnhauses empfing er in den 80ziger Jahren die ersten kleinen Gruppen westlicher Schüler, darunter auch Gangaji und Eli Jaxon-Bear. Dieses Mal durfte ich dort am Fußende seines Bettes eine halbe Stunde in Meditation verbringen. Es ist immer wieder ein interessantes Phänomen: Obwohl die tiefste Ebene innerer Stille für mich mittlerweile überall zugänglich ist, bzw. ich sie ganz klar als den allgegenwärtigen Urgrund meines Seins weiß und erlebe, entdecke ich auf der relativen Ebene Orte, an denen diese Stille noch mal mit besonders eindringlicher Kraft präsent zu sein scheint. Papajis Schlafzimmer ist für mich einer dieser Plätze. Hier scheint – mysteriöser Weise - Stille noch stiller, Mühelosigkeit noch müheloser, die Klarheit reinen Bewusstseins noch klarer und bewusster.

 


Dieses vermeintliche Paradox von „schon überall gegenwärtiger Stille“ und „doch noch besonders stillen Orten“ hat mich am nächsten Tag zu folgendem Text inspiriert:


Braucht man für spirituelle Befreiung einen Lehrer oder geht es auch ohne? Sind für tiefe spirituelle Erfahrungen besondere „heilige Plätze“ unterstützend oder ist deren Wirksamkeit bloß Illusion? Solche Fragen tauchen immer wieder im Zusammenhang mit spirituellem Erwachen und Befreiung auf.


Eine Antwort darauf aus einer absoluten Perspektive schmettert die Fragen mit Leichtigkeit vom Tisch. Sie könnte lauten: „Wenn du wirklich erwachst, stellen sich solche Fragen nicht mehr, weil Du weißt, das Alles der Lehrer und Alles gleichermaßen heilig, bzw. leer ist.“ Das ist wahr. Ruhen wir in der direkten Erfahrung regloser Stille, erkennen und erleben wir uns als alldurchdringendes, stilles Bewusstsein. Hier kommt uns jede Frage belanglos vor. Entweder taucht keine Frage auf, eine auftauchende Frage wird aus der Stille unmittelbar beantwortet oder wir sind vollkommen zufrieden damit, dass sich die Frage von alleine auflöst - ohne dass wir den Hauch einer Antwort bräuchten.


Zugleich durchbricht solch transzendente Stille unsere Vorstellungen einer begrenzten Heiligkeit, die sich nur auf bestimmte Aspekte des Lebens beschränkt. Auch der Neigung, Weisheit und Heiligkeit nach Außen zu projizieren, auf erleuchtete Lehrer oder geweihte Orte, wird mit einer solchen absoluten Perspektive der Boden entzogen. Sat (Wahrheit) ist unsere ureigene Natur. Sie durchdringt Alles, ist allgegenwärtig. Diese absolute Ebene zu erkennen, beugt einem naiven Personenkult in Bezug auf „heilige Lehrer“ und der übertriebenen magisch-mythischen Verehrung von „heiligen Orten“ vor.


Zugleich lohnt es sich, das Thema der „Erforderlichkeit“ - oder besser „Nützlichkeit“ von Lehrern und heiligen Orten auch auf der relativen Ebene zu beleuchten. Hier reichen eindimensionale Antworten nicht aus. Wir müssen weiter ausholen und eine Mehr-Ebenen-Betrachtung anstellen. Im Rahmen solcher Reflektionen scheint es immer wieder wichtig, sehr klar zwischen absoluter und relativer Ebene zu unterscheiden, die beiden nicht miteinander zu verwechseln, sondern durch die Beschreibung ihrer gegenseitigen Wechselwirkung eine umfassende Perspektive zu entwickeln.


Wie gesagt, aus einer absoluten Perspektive kann und muss man sagen, dass die Quelle jedweder Erscheinung reines Bewusstsein ist. Dieses Bewusstsein an sich ist der Sat-Guru (der höchste/der wahre Lehrer). Er offenbart sich in allen Formen. Dieses Bewusstsein ist das Heilige - oder das Heilsein - an sich und kann an jedem Ort, an jedem Platz, in jedem Menschen, zu jeder Zeit entdeckt werden. Im Thomas-Evangelium findet sich dazu eine wunderschöne Stelle: "Jesus sprach: Das Reich Gottes ist in dir und um dich herum… Spalte ein Stück Holz und ich bin da. Hebe einen Stein auf und du wirst mich finden."
Zugleich ist uns die Allgegenwart göttlichen Seins nicht immer bewusst. So vieles in unserem Erleben erkennen, bzw. bezeichnen wir  keineswegs als „göttliches Bewusstsein“, sondern eher als „böse Welt“ oder zumindest ablenkende oder störende Umstände. Unseren Beziehungspartner, wenn er gerade schlechte Laune hat. Den lauten Nachbarn. Den Müll auf der Straße. Den Verkehrslärm. Die Katastrophen in der Welt. Den schweren Schicksalsschlag. Bei solchen Gelegenheit neigen wir nicht nur dazu, die „Heiligkeit“ zu übersehen, sondern betiteln sie als „schlecht“ oder „unheilvoll“.


Doch es gibt auch Momente, in denen wir ahnen – oder sogar spürend wissen –, dass es tatsächlich eine tiefere, heilere, wirklichere Dimension des Lebens gibt. Natürlich kann diese auch in all den obengenannten widrigen oder erschwerenden Umständen entdeckt werden. Aber vor allem anfangs fällt es uns oft leichter, zunächst mal auf den Geschmack zu kommen, wenn dieser gerade durch erleichternde Bedingungen gefördert wird: Vielleicht spüren wir bei einem Menschen eine besondere Gelassenheit, Ruhe und Liebe, die auf uns ansteckend wirkt. Oder wir lauschen den Worten eines weisen Redners und gehen in Resonanz mit einer darin schwingenden, befreienden Wahrheit. Manchmal zieht uns auch die Atmosphäre eines Platzes in der Natur oder sonst wo in den Bann. Wir entspannen dort, kommen zur Ruhe und dürfen den Zauber einer mysteriösen Schönheit genießen. In solchen Momenten leuchtet Heiligkeit und Wahrheit auf. Eigentlich scheint sie hervor, wenn unser Geist zur Ruhe kommt. Dann zeigt sich, was unter all seiner ablenkenden Aktivität schon an HeilSein hier ist – was dann auch in den widrigsten Umständen entdeckt werden kann, je mehr wir es wagen, auch darin die Abwehr ruhen zu lassen.


Was ist der Unterschied in unserem Erleben, zwischen den „gewöhnlichen“ oder gar erschwerenden und den „heiligen“ Momenten, zwischen nagender Unzufriedenheit und wohltuendem Frieden,  zwischen Mangel und Erfüllung? Die spirituellen Traditionen wussten es schon immer. Die moderne Hirnforschung bestätigt es in den letzten Jahren mit immer mehr wissenschaftlichem Beweismaterial: So sehr es auch den Anschein hat, es ist nicht das Außen, dass diesen Unterschied ausmacht. Es sind nicht die Menschen, um uns und es ist nicht die Umgebung. Es sind nicht die äußeren Reize, die uns das Leben anbietet, sondern die Art und Weise, wie wir diese Stimuli aufnehmen und verarbeiten. Diese Aufnahme erst legt fest, was und wie wir etwas erleben. Vielschichtige innere Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse – die meisten davon unter unserer Bewusstseinschwelle - formen den Gesamteindruck und bestimmen, was wir am Ende schließlich bewusst erleben.


In der Hypnotherapie wird das z.B. in Bezug auf zwischenmenschliche Kommunikation in einem einfachen Satz zum Ausdruck gebracht: „Den Inhalt der Botschaft bestimmt alleine der Empfänger“. Was mir jemand zuruft, sind genau betrachtet nur bedeutungslose Schallwellen. Im Mittelohr werden sie in rein digitale Nervenimpulse von Nullen und Einsen umgewandelt. Welche Bedeutung diesen eigentlich nichts sagenden Informationen gegeben wird, bestimmen die weiteren Wahrnehmungsprozesse in meinem Gehirn. Ich kann den Zuruf „Du Arschloch!“ als deftige Beleidigung meiner Person verbuchen oder als echte Liebeserklärung meines Bauarbeiter-Kumpels genießen. Die Schallwellen sind die gleichen. Die Erlebensmuster meines Wahrnehmungsapparates und sogar entsprechende Reaktionen in der Physiologie meines Körpers unterscheiden sich massiv. Sie bestimmen, ob ich die Fäuste balle und auf den Urheber der Botschaft losstürme oder ihm nett zulächle und liebevoll zurückknuffe.  


Damit eröffnet sich eine interessante Fragestellung: Wie formen sich diese Erlebensmuster in uns, wenn wir etwas als „weise“ oder „heilig“ erleben? Die hinduistische Advaita-Philosophie hat darauf eine erfrischend einfache Antwort. Sie behauptet, dass wir in unserem durchschnittlichen Bewusstseinszustand in der Trance eines gewohnheitsmäßigen, dualistischen Denkens gefangen sind. Dies besteht in der nahezu zwanghaften Gewohnheit, all unsere Erfahrung durch mentale Einordnungen und Interpretation zu kommentieren und diese mentalen Abbilder für Wahrheit zu halten. Das dualistische Denken basiert dabei auf einer Trennung in Polaritäten. Es unterscheidet in „angenehm/unangenehm“, „gut/schlecht“, „wertvoll/nicht-wertvoll“, „ich/nicht-ich“. Durch diese - meist unbewusste - trennende Verarbeitung erzeugt es einen Schleier (Maya), der sich über die Wirklichkeit (Sat) legt und eine tiefgründigere Wahrnehmung verhindert.


Die gute Nachricht lautet: Dieser Schleier ist nur aus substanzlosen Gedanken gewoben. Das dualistische Denken kann durchschaut werden und zur Ruhe kommen. Wir können eine Wahrnehmung entdecken, die echter, direkter und wahrer ist als das begrenzte Denken in gegensätzlichen Polen. Dann sehen wir auf neue, ganzheitliche Weise, was wir selbst sind, was die Welt ist und wie beide als eine ungetrennte Einheit erlebt werden. In solch einem Moment bekommt Alles den Geschmack von Einssein, Heiligkeit und Wahrheit – oder den Geschmack einer befreienden Leere und Nichtigkeit.


Es ist eine erstaunliche Tatsache, das einige Menschen, z.B. spirituelle Lehrer, und einige Orte, z.B. heilige Plätze oder „Kraftorte“, unser inneres Erleben auf eine solche Weise stimulieren, dass sich unsere verschleiernden Wahrnehmungsmuster entspannen. Damit sind diese „Lehrer“ – ob Menschen oder Orte – eigentlich eher „Leerer“ für unser dualistisches Denken. Sie entleeren uns von trennenden Denkmustern. Sie führen eine Ruhe des Geistes herbei. Dann spüren wir die Wahrheit und Heiligkeit, die ständig Allem zugrunde liegt.


Vielleicht braucht es manchmal einen bewussten oder unbewussten „Vertrauens- oder Glaubensvorschuss“, damit dieser Effekt eintritt. Wir bringen Menschen oder Orten gegenüber eine nicht alltägliche Offenheit und Empfänglichkeit auf. Wir gestehen ihnen die Möglichkeit von Kraft und Ruhe zu. Das fördert es, sie dann auch tatsächlich als „Besonderheit“ zu erleben. Damit projizieren wir Heiligkeit zunächst nach außen und lassen sie dann von dort aus auf unser Inneres wirken. Das unterstützt die Entspannung unseres Geistes und fördert die Entdeckung innerer Heiligkeit und inneren Einsseins, was wiederum  unser Sehen und Erspüren transzendenten Seins im Außen begünstigt. Das kann sich zu einer befreienden Aufwärtsspirale steigern.


Es ist ein lustiges Spiel, das der Geist mit sich selbst spielt: Das Sein verlockt sich selbst nach Hause zu kommen, indem es erst im Außen als Heiligkeit erscheint, die dazu anregt, das Heile im Inneren zu entdecken. Dann verschwinden die Grenze zwischen Innen und Außen und es bleibt nur noch ein einheitliches Heilsein über.    


Dazu fällt mir ein Dialog meines Lehrers Sri Poonjaji (genannt Papaji) mit einem Fragenden ein:
Fragender: „Papaji, bist Du wirklich erleuchtet?“
Papaji: „Wozu willst Du das wissen?“
Fragender: „Ich will unbedingt absolut frei sein und suche Jemanden, der mir das zeigen kann.“
Papaji: „Gut. Dann geh’ davon aus, dass ich erleuchtet bin.“



An anderer Stelle sagte Papaji über die Funktion eines spirituellen Lehrers: „Bisher hat das Sein auf alle möglichen Arten zu Dir gesprochen und Dich eingeladen, es endlich zu erkennen, doch Du hast es nicht verstanden. Deshalb erscheint irgendwann ein Lehrer in Deinem Bewusstsein, der in genau der Sprache zu Dir spricht, die Du verstehen kannst.“


Insofern kann es sehr nützlich sein, das „Erleuchtete“ in anderen Menschen, in Lehrern und Heiligen zu sehen und wirken zu lassen. Dasselbe gilt für besondere Orte, die eine spirituelle Ausstrahlungskraft besitzen. Sie alle verweisen am Ende nur auf das Strahlen des stillen Bewusstseins, das wir selbst sind. So wirken die relativen Erscheinungen als Zugänge zu absoluter Erkenntnis.


Das passt auch zu der kleinen „Vision“, die ich in Papajis Zimmer in Form einer eindringlichen, sich wiederholenden Stimme innerlich hörte. Es schien als würde Papaji zu mir über das Paradox von Lehren und Leeren sprechen: „Use me, use me and then forget me!“ („Nutze mich, nutze mich und dann vergiss mich“).
Ob dies nun meine eigene innere Stimme oder tatsächlich jene von Papaji auf feinstofflichen Ebenen war, ist dabei eigentlich egal  -  letztendlich gibt es auch da keinen Unterschied zwischen Innen und Außen, Schüler und Meister. Mir schien es in diesem Augenblick auf jeden Fall eine wunderbar konzentrierte Antwort auf die Frage „Brauchen wir Lehrer und lehrende Orte?“ zu sein.


Danke Papaji – Om shanti, shanti, shanti


Torsten



 

 

 

 

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Obwohl schon tausendmal gesehen beeindrucken mich die Bilder von Ramana immer wieder aufs Neue. Oft wirken sie so lebendig, als wäre es kein Bild, sondern seine direkte gegenwärtige Präsenz. Und die ist ja tatsächlich auch in unseren Herzen gegenwärtig.
Auch hier in Lucknow/Indien im Restaurant auf der Dachterrasse des Satsang-Bhavans hängt ein wunderbares Foto. Unten in der Halle des Gebäudes stand Sri Poonjaji (genannt Papaji) bis 1997 für Satsang zur Verfügung. Wir verbringen hier etwas Zeit auf dem Retreat „Return to Lucknow“ mit unseren Lehrern Gangaji und Eli.
Durch das Palmendach des Restaurants fallen die Sonnenstrahlen auf das Bild, wie um die überweltliche Schönheit des Weisen Sri Ramana Maharshi noch mehr herauszukristallisieren.



Wer die „Lehre“ Ramanas (1879-1950) nicht kennt, „sollte“ es nachholen, sich damit zu beschäftigen. Es ist eine der radikalsten Ansätze, unsere begrenzte Ich-Identität in Frage zu stellen und die Freiheit zu entdecken, die jenseits der Fehl-Identifikation mit einem persönlichen Ich auf ihre Entdeckung wartet.
Manchmal reicht es aber auch, sich einfach in den Blick dieses Meisters fallen zu lassen und sich zu erlauben, sich darin vollständig selbst zu vergessen.

Jai Jai Ramana Satguru Ki Jai

Herzliche Grüße an Alle

Torsten

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Während unseres Aufenthalts am Ganges im Norden von Indien besuchten wir vor ein paar Tagen einen bekannten Ashram in einem Dorf nördlich von Rishikesh. Hier werden jeden Abend von Schülern einer Sanskrit Schule und ihrem Guru hingebungsvoll Bhajans (spirituelle Lieder) zu Ehren der Göttin Ganga direkt am Fluss gesungen. Dem Gesang zu lauschen und der Hingabe sowohl der Inder, als auch der westlichen Besucher des Ashrams zuzusehen, ist ein Genuss.

 

Dabei sitzt man direkt an den schnell treibenden, türkisen Fluten des Ganges und spürt deutlich, wie der Fluss des Lebens stetig Alles mit sich hinfort reißt. Dieses Wegreißen ist tatsächlich befreiend. Mag sein, dass unser Denken an manchen Stellen sagt „Nein, das will ich behalten. Das will ich nicht hergeben. Es tut weh loszulassen.“ Doch je mehr wir uns der Vergänglichkeit aller Erfahrungen stellen und hingeben, desto freier lassen wir los und desto schöner ist es, die Hände und das Herz offen zu haben für das nächste Geschenk, das uns der Fluss des Lebens entgegen treibt. Außerdem öffnen wir uns erst dann der Möglichkeit, auch all unsere Sorgen und festgefügten, begrenzten Identitäten wegwaschen zu lassen. Dabei wird ganz von alleine die mystische Dimension des unpersönlichen Beobachters offenbar, der unangetastet von allem Kommen und Gehen am verlässlichen Ufer sitzt, in Ruhe und Gelassenheit wissend, dass das Ewige und das Vergängliche eins sind.

 

Am Eingang des Ashrams entdeckte ich eine nagelneue ca. 5 Meter hohe Statue des hinduistischen Affengottes Hanuman. Es ist ein beeindruckendes Standbild besonders wegen der gewaltsame Geste Hanumans: Mit seinen eigenen Händen reißt er sich selbst den Brustkorb in der Mitte auf und legt sein rotes, wundes Herz offen (siehe Foto).

Egal was Hanuman als mythologische Figur im Reigen des indischen Pantheon bedeutet, für mich gab es eine unmittelbar Resonanz dieser Geste mit dem spirituellen Potential der Öffnung für unsere menschliche Verletzlichkeit, die sich mir so oft als Eingangstor zu und Vertiefung von innerem Frieden gezeigt hatte: Die Verletzlichkeit - egal von wem oder von was sie ausgelöst wurde - in voller Gänze zulassen. Sich nicht schützen. Den Schmerz brennen zu lassen, ohne zu flüchten, ohne Gegenwehr, ohne Opfergeschichte, ohne Tätervorwurf, ohne jedes gedankliche Ausweichen oder in-Ordnung-bringen-wollen. Dieses schlichte, reine, manchmal äußerst schmerzliche Brennen befreit tatsächlich. Jedes mal wenn es ganz zugelassen wird, transzendiert es sich selbst in eine heilsame, sich selbst genügende Erfüllung. Das Zulassen von Verletzlichkeit wirkt so als ein direkter Zugang zu dem göttlichen Heilsein, das wir alle sind.

 

Zwei Tage später erfuhr ich noch eine überraschende aber passende Ergänzung zu der  Hanuman-Statue am Ganges: Tatsächlich gibt es in ihr eine elektrisch angetriebene Mechanik, die das rote Herzfleisch Hanumans in regelmäßigen Abständen öffnet und schließt. Wenn es sich öffnet, kommen im Herz die Göttergestalten von Rama und Sita zum Vorschein (auf dem Foto leider nicht zu sehen). Als ich die Statue zwei Tage zuvor sah und fotografierte, gab es allerdings ein für Indien immer noch typischen „Powercut“ (Stromausfall), der die Mechanik außer Kraft setzte. So sah ich nur das rote Fleisch, nicht aber den göttlichen Kern des Herzens.

 

Was für eine Offenbarung: Im brechenden und aufbrechenden Herzen finden wir nur noch mehr Göttlichkeit. Diese Symbolik macht noch mal deutlicher, dass die alten religiösen Mythen nicht nur „naive“ Geschichten zur Erklärung der Welt sind, sondern – richtig verstanden - eine tiefere mystische Erkenntnis zum Ausdruck bringen, bzw. dazu einladen sie unmittelbar zu erfahren.

 

Dass die Öffnung für Verletzlichkeit zutiefst heilsam wirkt, wird nicht nur auf spirituellem Wege deutlich, sondern zeigt sich auf eine überraschend frische Weise sogar in der Wissenschaft.

 

Die Sozialwissenschaftlerin Brene Brown forschte in einer qualitativen Studie danach, welche innere Haltung Menschen zu erfüllten und sich mit anderen verbunden fühlenden Wesen werden lässt. Zu ihrer eigenen Überraschung fand sie heraus, dass es diejenigen sind, die verletzliche Gefühle, wie Unsicherheit, Angst, Scham, Minderwert, Trauer, Verzweiflung oder Frustration in sich nicht ablehnten, sondern diese aus ganzem Herzen umarmten. Dadurch waren sie fähig, die Schönheit in der Verletzlichkeit zu spüren.

 

Sie konnte die Ergebnisse ihrer eigenen Forschung kaum glauben, da sie in ihrem eigenen Erleben solchen Gefühlen lieber gänzlich aus dem Weg ging und hoffte dadurch glücklich werden zu können. Deshalb öffnete Brown sich neben ihrer beruflichen akademischen Forschung ihrem eigenen inneren Erleben mit Hilfe einer erfahrenen Therapeutin. Über einen längeren teilweise schwierigen Prozess entdeckte sie dann in sich selbst, dass die Öffnung gegenüber Verletzlichkeit tatsächlich enorm heilsam und befreiend wirkt.

 

In kurzen Vorträgen, die sie über ihre Forschungsarbeit und ihre innere Erfahrungen hält, spricht sie auf wunderbar frische und Herz öffnende Weise über „The Power of vulnerability“ (Die Kraft der Verletzlichkeit). Die You-Tube-Videos (leider nur in englisch) sind sehr empfehlenswert.

 

Link zum Video: http://www.youtube.com/watch?v=iCvmsMzlF7o


Grüße vom Ganges

Torsten

 

 

 

 

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Seit vier Tagen sind wir (meine Partnerin Padma und unsere kleine Retreat-Gruppe) wieder in Indien. Wir genießen die wunderschöne Natur direkt am heiligen Fluss Ganges nördlich der  Pilgerstadt Rishikesh. Hier in den ersten hügeligen Ausläufern des Himalaya zeigt sich der Ganges (oder besser: die Ganga, als weiblicher Gottesaspekt) mit Stromschnellen und atemberaubenden weißen Sandstränden noch so naturbelassen und sauber, dass auch Westler gefahrlos in seinen/ihren Wassern baden können. Es ist ein sinnlicher und spiritueller Genuss, in das kühle Nass zu steigen und noch mal mehr alles belastende Denken von der göttlichen Energie in Form eines Flusses wegspülen zu lassen.

Ganges - Torsten und Padma Retreat 2013
Das ist vielleicht das Wunderbarste an Indien: Es ist hier erlaubt, spirituell zu schwelgen. Wir dürfen staunen über das Göttliche. Es ist willkommen, uns der mystischen Dimension des Lebens hinzugeben, in dem sich unser kleines Ich verliert.
Sicher: Ken Wilbers Integralem Modell nach betrachtet, ist das meiste der religiös-spirtuellen Atmosphäre Indiens durch prä-rationale Energien geprägt. Aus der rationalen Sicht zeigt sich hier naiver Glauben an die Wortwörtlichkeit von Mythen, an die Wirksamkeit von Ritualen und an die „wirkliche Wirklichkeit“ von eigentlich symbolischen Göttergestalten. Dies muss und wird durch die Entwicklung der Vernunft kritisch hinterfragt werden – das scheint mir der Evolution nach auch in Indien zu geschehen. Doch im Prärationalen liegt auch noch die Unschuld des unverfälschten Erahnens unserer Göttlichkeit. Das Staunen über das Mysterium  - Gott dankt es – ist noch nicht wegrationalisiert.
Das ist vermutlich der Grund, warum auch der Raum für transrationale, echte mystische Erkenntnis hier manchmal größer zu sein scheint, als in "höher entwickelten" aufgeklärten Kulturen. Diese neigen dazu, jeden Geschmack von Spiritualität, in der guten Absicht, naiven Aberglauben mit kritischer Vernunft  zu transzendieren, wegzudiskutieren. Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Es würde mich freuen, wenn sich dieser sprituelle Charakter Indiens noch lange so erhält oder vor allem durch immer mehr transrationale Spiritualität ersetzt wird.
Manchmal schmerzt es fast, wenn wir am Ganges über die Jahre mitbekommen, wie immer mehr neureiche und rational aufgeklärte Inder massenhaft in Rafting-Touren in ihren Gummibooten über die göttlich schönen Stromschnellen von Ganga sausen und nach eher oberflächlichem Vergnügen suchen. Ihr Jauchzen und Johlen bei diesem Abenteuer ist eigentlich ein schöner Klang. Aber wenn es zum Massentourismus wird und man während des stillen Sitzens am Gangesstrand zwei Stunden lang nur noch Jauchzen und Johlen hört ändert sich das spontan. Da kommt kurzzeitig schon mal der Wunsch auf, die Zeit ein wenig zur alten Ursprünglichkeit zurückzudrehen oder sogar der fiese Gedanke, Ganga möge mit ihrer Kraft ein paar von den Grölenden mal schön unterdukern und ihre Suche nach Glück auf Wesentlicheres lenken - was sie sicher manchmal mit Vergnügen tut.
Dann aber entspannt sich der Geist von jenen gemeinen Ideen, genießt das Krächzen der Raben, das rollende Getöse der Stromschnellen und genauso das Jauchzen der Rafter als den perfekten einen Klang des Göttlichen. Wieder mal wird überdeutlich: Es könnte und sollte nicht anders sein. Es ist vollkommen, genauso wie es sich gerade zeigt. Jetzt und immer.

herzliche Grüsse an alle Leser auf connection.de – und vielleicht ein paar prärationale Segnungen  (für die, die’s glauben oder annehmen wollen) – auf jeden Fall transrationale Dankbarkeit

Torsten
 

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Posted by on in Wolf Schneider

Ich sitze grad an unserem kommenden Schaman-Heft, mit dem Schwerpunktthema »Die Heilkraft des Heiligen«, mit den Fragen: Was ist eigentlich heilig? Und was ist es, das heilt?

Da begegnet mir auch das mysteriöse Thema der »schamanischen Krankheit« wieder. In gewissen Traditionen werden Schamanen ja nicht einfach ausgebildet oder eingeweiht, um dann als solche ihren Job zu tun, sondern es ist eine Krankheit, die sie »ruft«. Schamane zu sein war nicht immer ein sonderlich attraktiver Job, wer wollte das schon machen – im Gegensatz zu heute, ähäm, wo das vielleicht bald eine Variante des Heilpraktikerscheins wird, neben dem HP psych. Aber dann wurden sie gerufen, diese besonderen Individuen, und zwar nicht durch Gott oder irgendwelche Engel, sondern durch eine Krankheit. Die war manchmal so schlimm war, dass sie zum Tod geführt hätte, wenn nicht der von ihr Befallene schließlich nachgegeben hätte: Okay, ich akzeptiere. Werd' ich halt Schamane.

 

Entfremdung

Warum bin ich Verleger geworden und Autor? Nein, so schlimm ist es bei mir noch nicht. Das Leiden ist auszuhalten, und es haben mich auch keine Krankheiten gerufen, die mir dann diktierten das zu tun, was ich jetzt tue, und doch … manchmal, wenn ich was anderes will als ich jetzt tue (woanders gibt's mehr Geld und mehr Freizeit) weigert sich mein Körper. Deshalb kam mir beim Bearbeiten der Texte für unser aktuelles Schaman-Heft der Gedanke, dass die Schamanenkrankheit vielleicht nur eine Extremform der Weigerung des Körpers ist, der sich wehrt, wenn du einem inneren Ruf nicht folgst. Oder, noch anders gesagt: Wenn wir uns zu sehr von uns selbst entfremden, uns zu sehr von dem entfernen, was wir innerlich zutiefst wollen, dann werden wir krank. 

 

Das Glück, das Richtige zu tun

Zugegeben, auch Schamanen und enthusiastische Herzblut-Pioniere werden manchmal krank. Gelegentlich sieht man aber auch welche, die sehen für ihr Alter ganz gut aus (nein, tut die Blumen woanders hin, ich meine jetzt nicht mich selbst), weil sie tun, was sie zutiefst wollen. Weil sie eins sind mit sich. Während andere sich im chronisch gewordenen Widerstand befinden gegen das, was sie tun; sie wollen eigentlich was ganz anderes, sie haben innerlich gekündigt, ihr Gehalt ist für sie »Schmerzensgeld« – und dann werden sie krank. 

 

Besser, man tut, was man wirklich will, auch wenn man dafür – oberflächlich – ein bisschen leiden oder sich mehr anstrengen muss. Das innere Glück, das Richtige zu tun macht das wieder wett.

 
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Posted by on in Torsten Brügge

Liebe Leser,

ich freue mich über die Einladung von Wolff Schneider an mich, auf der Website der Connection zu bloggen.
Wie Ihr vielleicht mitbekommen habt, habe ich in den letzten Wochen das Forum "Theorie und Praxis des Integralen Modells" auf der Website der Connection moderiert (siehe "Forum" in der rechten Leiste auf connection.de) und werde das auch weiterhin tun.
Hier im Blog kann ich auch jenseits des integralen Modells auf diverse Themen eingehen.

Da mein "Inspirationsfluss" oft am besten in Gang kommt, wenn ich von Menschen konkrete Fragen oder Wünsche nach Reflektionen bekomme, lade ich alle Interessierte dieses Blogs ein, dies zu tun. Stellt gerne Fragen oder äußert Themenwünsche, wenn ihr möchtet, dass ich und wir gemeinsam Themen beleuchten wollen!

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Posted by on in Wolf Schneider

Grad hab' ich von Sibylle (aus unserem Connection-Team), die dort mitgetanzt hat, einen Link zu diesem 3-min Film bekommen und bin total gerührt. Auch wenn es nicht eine Milliarde waren, die da »aufgestanden« sind. Vielleicht waren es nicht mal weltweit eine Million. Aber es ist ein Anfang, und die Art, das so tänzerisch, liebevoll, anmutig und medienwirksam zu machen, finde ich großartig. Leider hatte ich die Info hierüber zu spät bekommen, um den Aufruf zu diesem Flashmob verbreiten zu helfen.

Es müssen noch viel mehr werden, die da aufstehen, denn es sind gut möglich tatsächlich eine Millarde Frauen in der Welt, die Gewalt erfahren haben, weil sie Frauen sind (und nicht nur, weil wir Menschen in unserem Leben eben auch Gewalt erfahren). Schätzungsweise 140 Millionen Frauen weltweit sind genital beschnitten, ungefähr 3 Millionen kleinen Mädchen jährlich wird dieses furchtbare Leid jedes Jahr erneut angetan, trotz all der Gesetze, die das verbieten. Aus Tradition, aus Angst – auch Angst vor der Lust der Frauen. Und es gibt noch viele, viele andere Arten von Gewalt gegen Frauen: Schläge, Missbrauch, Sklaverei und Kindstötungen, weil arme Familien vielerorts es sich nicht leisten können ein (weiteres) Mädchen aufzuziehen, geschweige denn es zu verheiraten, und weil das alles so sehr von frauenfeindlichen Traditionen (Du musst heiraten! Du bist bloß eine Frau!) und mächtigen Ängsten gesteuert wird.

Wenn ich da diese hundert (oder wie viele) Frauen auf dem Stachus tanzen sehe, kommen mir die Tränen – Freudentränen über dieses Grüppchen Bewegter, die sich da trotz der Kälte auf diesen zentralen Platz begeben haben und tanzen. Die Revolution muss eine freudige sein, keine bittere, auch wenn das Leid bitter ist!

Wir sind noch um den Faktor tausend zu wenig, das stimmt. So geht es den Pionieren halt. Erst sind es nur sehr wenige …

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Posted by on in Wolf Schneider

Mein erster Blog in diesem neuen Format ... mal sehen, ob das alles klappt ...

Als aktuellen Anlass nehme ich eine Stelle aus dem gerade erschienenen Heft von »Tattva Viveka« (Titelthema »Keine Angst vor Sekten«), ein Zitat von meinem Freund und Kollegen Ron Engert, dem Herausgeber und Inhaber dieser Zeitschrift. (Wir haben seit vielen Jahren Abotausch und treffen uns auch dann und wann, auf der Buchmesse oder auf Konferenzen). Er hat dort das Buch »Erleuchtung – Phänomen und Mythos« rezensiert, das auf 700 Seiten mehr als 40 Beiträge von sogenannten »Erwachten« aus der Satsang-Szene zusammenfasst. Ein Buch, das Katharina Ceming bei uns sehr positiv rezensiert hat. Ron aber hat dazu gemischte Gefühle: 

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